Feste Haderstein

Der Haderstein.
Ein kleines Wehrgehöft, mit tobrischen Turm, bildet den Mittelpunkt eines ehemaligen Junkergutes. Das Haus Darpenstein aber weilt schon lange nicht mehr unter den noch existierenden Häusern Tobriens und kaum ein Vermerk in der Geschichte weist auf jene Junkerfamilie mehr hin. Nun aber ist wieder Leben in dieses kleine Stück tobrischen Landes zurückgekommen, hat doch der Reichserztruchseß, als Lehnsherr einen Teil des Gutes zu treuen Händen an den jüngst gegründeten Orden des heiligen Zorns der Göttin Rondra übergeben und dieser kam um mit großem Gefolge hier einzuziehen. Der  Haderstein zeigt immer noch Zeichen seiner Vergangenheit,da er ja wie gesagt einst Stammsitz des Hauses Darpenstein war, dessFeste Hadersteinen Wappen, ein aufsteigender Darpatbulle, noch immer am Eingang des Haderstein zu erkennen ist, wenn denn der Suchende der über dieses Stück Vergangenheit Bescheid weiß, seine Augen auf konzentrierte Suche schickt, haben doch Satinavs Hörner einiges von dem Wappen abgetragen. Obwohl einige abergläubischen Gesellen in dem Wappentier nun eher einen Dämon erkennen wollen, hat sich der Wächter der Wacht Tobrien, der edle Herr Peraindorn Wulfensforst dafür ausgesprochen jenes Zeichen alter Würde nicht überdecken, oder garabschlagen zu lassen. Diese  großzügige Haltung hat ihm die Herzen der noch hier Ansässigen näher gebracht und da der edle Herr selbst ein tobrischer Landmann ist, dauerte es nicht lange und man hatte ihn als den neuen Gutsherrn anerkannt, obwohl der Wächter solch Bezeichnung nicht gerne hört. Kommen wir aber wieder zur Umgebung, von der wir ganz abgekommen waren. Die Nähe der Baronie Schwürzhofen ist deutlich zu bemerken, kann man doch auch hier schon Messerschilf finden, der an sumpfigen Stellen wuchert und für den Wanderer, oder den Berittenen zu einer wahren Gefahr werden kann. Zwei kleinere Seen gibt es hier, deren schwarzes Wasser jedoch niemanden dazu verlocken könnten hier eine Erfrischung zu suchen, dagegen sind die Zuflüsse dieser Seen klar zu nennen und zahlreiche Molch- und Froscharten erfreuen sich hier eines ruhigen Lebens, sind doch ihre
Hauptfeinde, wie zum Beispiel der anmutige Weißhaubenstorch hier nicht zu finden, auch etwas, das den Wächter recht bekümmert hatte, ist er doch ein sehr Perainegläubiger Mensch und hätte das Tier, welches ihr geweiht ist gerne hier gesehen, aber ich schweife schon wieder ab. Der gesamte Boden rund um den Haderstein ist locker, um nicht zu sagen weich. Gut getränkt mit des Herrn Efferd seines Gutes entwickeln sich auf diesem dunklen, nahrreichen Boden Grassorten in erstaunlicher Fülle, die hin und wieder durch
Wiesenkräuter aufgelockert werden und durch kleine Blumenteppiche, die hier meistens aus einer Abart der Butterblume bestehen, dem sogenannten Goldtränchen, da die zarten Blütenblätter im  Morgen- wie im Abendglanze wirken, als wären goldene Tränen
darauf gefallen. Ein Anblick, der einem wirklich ans Herz gehen kann. Um eine andere, kleine, leicht zu übersehende Blume ranken sich Geschichten, die der tobrischen Seele wohl entsprungen sind. Dieses Blümchen mit den zahlreichen kleinen blauen Blüten, die aus immer genau vier doppelblättrigen Blütenköpfchen bestehen, wird entweder Tobrienlieb oder Vergissmeinnicht genannt, aber immer sind Geschichten um sein Wachsen und Gedeihen schnell bei der Hand. Am weitesten verbreitet ist wohl die Meinung, das jenes Blümelein erblüht, wenn ein Tobrier gestorben ist, damit sein Name, der in den vielen feinen Äderungen der Blütenblätter für des Kundigen Auge leicht zu erkennen wäre, nie vergessen geht und er auf ewig mit seiner Heimat verbunden bleibt.  Viele dieser Blumen wachsen zur Zeit und vielleicht ist an den Geschichten doch Wahres dran, ich jedenfalls würde niemanden empfehlen einen Tobrier mit
einem frisch gepflückten Strauß dieser Blume erfreuen zu wollen, denn dies könnte sehr schnell ins Auge gehen. Wälder findet man hier keine, nur Ansammlungen einzelner Bäume, die jedoch durch dichtes Unterholz verbunden sind, so das sie ebenfalls einem Wandernden schon dazu zwingen können einen kleinen Umweg zu machen. Macht man sich aber die Mühe ein wenig genauer hin
zu schauen, dann entdeckt man unter dem Mischwerk von Firunföhre, Birke, Schwarzerle und hin und wieder auch Roßkastanie, leckere Heidelbeersträucher oder gar verführerisch schmeckende Walderdbeeren. Sollte der geneigte Leser jetzt meinen das dieses Gebiet wahrhaft paradiesisch erscheine, so muß ich ihn enttäuschen, wird man solche Leckereien nur äußerst selten antreffen und ist die Quecke doch weiter verbreitet als so mach hübsch anzusehende Blume. Nur wollte ich nicht ein gar zu drückendes Bild beschreiben, ist dies ja nun auch nicht gerade der Fall. Es bleibt also der Vorstellungskraft des Leser vorbehalten, aus all diesen Beschreibungen den Mittelweg heraus zu finden. An Wegen oder gar Straßen gibt es so gut wie keine und wäre nicht dem Orden daran gelegen hier eine Besserung herbeizuführen, dann hätten hier durchkommende Reisende oder wohl eher Soldatentrupps sich selbst ihre Karrenwege erschaffen müssen. Schon hört man davon, das der Botendienst des Ordens, die Windreiter, in Zusammenarbeit
mit der noch zu erstellenden Pioniereinheit schnell für ein einigermaßen geeignetes Wegesystem sorgen wollen, die den Haderstein mit den größeren Straßen verbinden soll, ist doch die Übermittlung von Nachrichten und den darin enthaltenen Informationen für
den Orden außerordentlich wichtig. Und nun wollen wir uns dem Bauwerk zuwenden, das ja schon am Anfang meiner Beschreibung stand, nämlich dem Haderstein. Woher dieser Name stammt ist mit der Zeit fast verloren gegangen, aber haben doch Gerüchte zufolge hier die ersten Darpensteiner einen Streit niedergelegt, der beinah jenes Haus zum Erlöschen gebracht hätte, bevor es überhaupt zu einer Blüte hatte kommen können. Der Grund des Zwistes und des Haders, ein altes Schriftstück, das, so heißt es, sehr fragwürdige Ansprüche des Hauses Darpenstein und darin enthaltenden Verbindungen zu einem alten ehrenhaften tobrischen Hause beinhaltete, wurde unter vielen Schwüren und Versprechungen in eine Schatulle gelegt, die wiederum in einen Stein eingemauert wurde, welcher der Grundstein des tobrischen Turmes bilden sollte. So ruht auch heute noch der Haderstein im Gemäuer des gleichnamigen Turmes und wer in den Nächten, wenn das Madamal hoch am Himmel steht ganz nahe an dem Mauerwerk des Turmes stehe, könne noch heute die Schwüre hören, die man einst sprach um den alten Zwist und Hader ein für alle mal aus der Welt zu schaffen. Um den Turm wurden schließlich noch einige Bauten errichtet, eine kleine Scheune, ein Gesindehaus, mit angeschlossener Küche und sogar eine Schmiede. In späterer Zeit kam dann noch eine steinerne Umfassung hinzu, die durch einen hölzernen Wehrgang abgeschlossen wurde. So ist aus dem einstigen einsamen Turm ein Wehrgehöft entstanden, das mit ausreichender Besatzung recht wehrhaft erscheinen mag. Doch mitnichten ist dieses als Feste zu bezeichnen, hat man es doch über Jahre versäumt die nötigen Arbeiten am Haderstein auszuführen, die ihn wehrhafter machen hätten können. Gerade die nötigsten Ausbesserungsarbeiten hat man hier ausgeführt, aber dies hätte auf Dauer nicht mehr ausgereicht. Der Wehrgang zeigt an einigen Stellen deutliche Alterungserscheinungen, so das man an gewissen Stellen besser nicht sein volles Gewicht auf die Bretter bringen sollte. Nun aber ist ja wieder das Leben in voller Kraft zurückgekommen auf den Haderstein. Mit dem Orden des Heiligen Zornes der Göttin Rondra sind Streiter eingezogen, die bereit sind, diesen Ort tobrischer Geschichte zu erhalten und ihn als Bollwerk gegen den Feind aus dem Osten auszubauen. Bis hierher und nicht weiter! So verkündet stolz der weit sichtbare Haderstein allen Feinden. Verkündet das Tobrien nicht untergegangen ist und seine Geschichte auch noch bis in unsere Zeit und die, in der einst unsere Kinder an den Lagerfeuern sitzen werden, lebendig bleibt und bleiben wird!

M.Gundlach