Sklaven für Khezzarra

Kapitel 1 -  Der Zweikampf

Der  Eingang  des  kleinen  Wirtschaftsgebäudes  auf  Grünwarte  flog auf.  Der Türrahmen  wurde  fast  gänzlich  von  Titina ausgefüllt. "Sagt einmal, ihr edlen Herren Krieger," schalt sie die Umstehenden laut, "mit eurem Dienstplan für die Einteilung zur Vorbereitung der Messe ist es wohl nicht weit her, wie? Mit dem Mittagsmahl ist es gleich soweit und der Knappe Elias macht das seit sechs Tagen stets ganz allein, obwohl grundsätzlich zwei von euch starken Recken dazu eingeteilt ist. War da nicht ein gewisser Herr Wiesenhütter als zweiter Mann gedacht?!" Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute sie in die Runde. "Bei Hesinde!" entfuhr es der Weibelin unterdrückt, "Ich hatte vergessen die  Einteilung zu ändern, Mist!" Und an die Köchin gewandt:  "Ja, Titina, weißt  du, ich.... äh.... ich... ich muß weg! Kommt, Wiesenhütter, ihr solltet euch sofort nach eurem Eintreffen bei Wächter melden. Und du Arlin übst dich noch einmal im Schwertkampf mit Firunja, aber denkt daran, eure Waffen mit dem Schwertschutz zu versehen! Korporal Masato, ihr passt mir auf, daß hier nichts passiert, verstanden?!!" Somit machten sich die beiden schnellstens daran, dem Gesichtsfeld Titina's zu entschwinden. "Jaja, so kann man sich auch der Verantwortung entziehen!" schallte es unwirsch aus dem Türrahmen hinter ihnen her. "Hjaldis? Hjaaaldiis!!! Sieh zu, daß du in die Messe kommst, und hilf Elias bei den Vorbereitungen!" Während der letzten Worte schloß sich die Tür wieder.
 Arlin, der noch vor wenigen Augenblicken einen schmerzhaften Wurf des Kriegers Neunfinger hinnehmen mußte, streifte sich nun wieder sein Leinenhemd über den schweißnassen Oberkörper. Gemeinsam mit Firunja ging er daran, sein Schwert mit dicken Lederriemen zu umwickeln. Auch die Waffe der Novizin wurde mit dem Schwertschutz versehen. Dann nahmen beide die Ausgangsposition zum Zweikampf ein. Sie umkreisten einander, wie lauernde Tiere. Es war das erste Mal, daß Arlin gegen Firunja von Bärentrutz antrat. Ihre katzengleichen Bewegungen faszinierten den Bornländer, doch war es seine Bemühung, sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Im Gegenteil! Der Knappe probierte nun seinerseits Firunja zu verunsichern. Mit einem Grinsen auf den Lippen schaute er demonstrativ am Kopf seiner Kampfpartnerin vorbei, um sie auf ein imaginäres Ereignis hinter ihr abzulenken. Dann stieß Arlin urplötzlich vor, damit er ihr mit einem kräftigen Hieb die Waffe aus der Hand schlagen konnte.....
Und tatsächlich einen kleinen Moment konnte Arlin Firunja verunsichern. Es
gelang ihr gerade noch nachzufassen. Das kostete natürlich wieder die Aufmerksamkeit und Arlin sah seine Chance erneut kommen: doch Firunja (irgendwann müssen die Übungsstunden auch Nutzen gebracht haben) liess sich geistesgegenwärtig fallen. Somit konnte sie Arlins Schwert ausweichen und gleichzeitig nach seiner Wade schlagen. "Autsch" Der traf! Arlin sackte plötzlich etwas zusammen, seine Linkes Bein wird einen schönen blauen Flecken bekommen... Doch was macht Firunja?! Vor lauter Grinsen über Arlins verdutztes Gesicht und Freude über den gelungenen Schlag, stand sie überhaupt nicht so geschickt auf, wie es ihre sonst so geschmeidigen Bewegungen erwarten lassen. Arlin, nun gar nicht mehr ruhig, erkannte das, und mit einem Schwerthagel stürzte er sich auf Firunja. Oh, oh,  jetzt konnte Firunja nur noch Parieren. Gegen was für ein wütendes Tier kämpfte sie da?! Doch irgendwie schienen auch Arlins Kräfte nachzulassen, da fiel Firunja ein kleiner Trick ein, den sie mal in der Akademie gelernt hatte: Bei einer weiteren wuchtigen Attacke versuchte sie, unten durch zu tauchen, und Arlin unter dem Schwert hindurch einfach zu Boden zu reißen. Gelernt hatte sie das mal in einer Prügelei in der Akademie.
Geschafft! Doch, warum tat ihr der Schwertarm jetzt weh?? Hatte doch tatsächlich Arlin noch getroffen! Und jetzt lagen beide am Boden. Arlin hatte seine Waffe verloren und rang um Luft und Firunja konnte ihr Schwert nicht mehr halten.....Gemeinsam rappelten sich die beiden Kämpfer auf, wobei Firunja Arlin versuchte, etwas zu helfen. "Sag Arlin, was hältst du davon, wenn ich dich einen kleinen Trunk einlade. Damit möchte ich mich für meinen nicht ganz rondragefälligen Kampf entschuldigen. Doch hoffe ich, du kämpfst bald noch mal mit mir..... wenn mein Arm wieder beweglich ist." Das ließ sich Arlin nicht zweimal sagen und ging erhobenen Hauptes mit Firunja zum Brunnen, um sich erstmal zu waschen. Arlin wußte genau, eigentlich hatte er gewonnen... "Da hast du mich zum Schluß aber schön ins Leere laufen lassen." Der Bornländer war immer noch etwas außer Atem, als er seiner Mitstreiterin augenzwinkernd mit dem Zeigefinger drohte. "Bei Gelegenheit mußt du mir mal diesen schnellen Abroller beibringen. Und um auf dein Angebot zurückzukommen..... – ich habe gehört, daß Gorm heute nach dem Mittagsmahl mit dem Fuhrwerk gen Grensacht fahren will, um sich dort neue Holzkohle für seine Schmiede zu besorgen. Danach geht er meistens noch auf ein oder zwei Krüge Eslamsbräu in den "Axthieb". Zwei Krieger der Burgbesatzung sollen ihn zur Sicherheit begleiten. Das wird bei Titina übrigens genauso gemacht, wenn sie im Dorf Proviant und Lebensmittel für Grünwarte einkauft. In der Schenke lasse ich mich von dir dann gern auf einen Krug freihalten; der edle Herr hätte sicher auch nichts dagegen.... hoffe ich. Nur," gab Arlin zu Bedenken, "wir müßten Weibelin Sarjaban davon überzeugen, daß WIR beide dieses mal die Eskorte stellen. Sie ist, so weit ich weiß, für die Einteilung der Begleitung zuständig. Und du weißt, daß sie ein alter Besen ist!" grinste er und rollte dabei die Augen.
Santos Wiesenhütter hatte die Tür hinter sich geschlossen, und Taninia beeilte sich, um noch den Rest des Übungskampfes zwischen Arlin und Firunja zu beobachten. Als sie jedoch den Ausgang zum Burghof erreichte, war es schon zu spät. Die beiden hatten den Kampf mittlerweile beendet und standen diskutierend am Brunnen. Wie sie die Weibelin erblickten, verstummte ihr Gespräch abrupt, und zwei Augenpaare schauten Taninia unsicher an. "Na, was habt ihr beiden denn angestellt? Ihr habt doch wohl nicht ohne Schwertschutz gekämpft, oder?" rief sie den Novizen entgegen. Dabei schwang ein drohender Unterton in ihrer Stimme. "Firunja, was hältst du deinen Arm so fest? Bist du verwundet? Komm mal sofort her!!"
"Wenn man vom Esel redet...." dachte sich noch Firunja, bevor sie sich mit einem Grinsen an Arlin gewandt, zu der Weibelin Sarjaban begab. "Frau Weibelin, ich halte meinen Arm nur deswegen, weil er noch ein ganz kleines bißchen schmerzt. Ihr müßt wissen, bei unserem Übungskampf, bei dem wir natürlich die Schwerter umwickelt hatten, hat Arlin kurz vor dem Ende meinem Waffenarm außer Gefecht gesetzt. Das tat er mit solch einem geschickten Hieb, dass ich ihn gar nicht habe kommen sehen. Wirklich eine Glanzleistung!" So erging sich Firunja in Lob für Arlin...
Da konnte Arlin natürlich nicht hintendrein stehen und kam hinzu , um der Weibelin zu erklären, mit was für einem gekonnten phexschen Trick  Firunja ihn schließlich überwältigt hatte. Und so ergingen sich beide in die abenteuerlichste Schilderung, wie der eine dem anderen diesen und solchen Hieb, oder Finte gezeigt hat und zu guter letzt beide mit Gleichstand aufhörten. „Natürlich tun die Schläge nicht mehr so weh“,versuchte Firunja zu erklären, "Nach diesem für uns beide sehr lehrreichen und auch erfolgreichen Kampf, möchten wir ganz gerne unseren Mut und Geschick weiter unter Beweis stellen, indem wir Gorm nach Grensacht begleiten...." So, jetzt war es raus. Firunja setzte noch einen Blick auf, der eigentlich bei ihren Eltern immer Wirkung gezeigt hatte, wenn sie etwas wollte und wartete auf die Antwort, komme was wolle..........
Weibelin Sarjaban schaute mit einem finsteren Blick auf die "Wunden" der beiden und sah an Arlins Wade einen prächtigen grünen Fleck, und auch bei Firunja begann es sich schon zu färben. Scheinbar sind diese abenteuerlichen Schilderung tatsächlich wahr..............hmm.............hmm............
"Ihr solltet beim nächsten Mal vielleicht besser beide auf eure Deckung achten, damit ihr nicht ausseht, als hätte eine Horde Oger auf euch herumgetrampelt! Naja, glücklicherweise habt ihr keine ernsthaften Schnittwunden davongetragen."

Kapitel 2 – Eskorte für Gorm

Noch immer betrachtete die Weibelin die blauen Flecke der beiden jungen Novizen mißmutig. "Aber da ihr scheinbar vollen Einsatz bei dem Kampf gezeigt habt, es ist ja wirklich nicht zu übersehen, gestatte ich euch den alten Gorm nach Grensacht zu eskortieren. Wenn ihr im Ernstfall genauso mit scharfen Waffen zur Sache geht, wie bei der Übung, dürfte eigentlich nichts passieren. Macht euch also bereit! In einer Stunde will Gorm los. Ihr tragt aber dabei eure Kettenhemden, ist das klar? Man hat zwar lange nichts mehr von der Räuberbande gehört, die hier ihr Unwesen treibt, aber man kann ja nie wissen. Und passt mir vor allem auf Gorm auf. Wenn der seine Geschäfte erledigt hat, versackt er ab und zu noch im "Axthieb". Vorletztes Mal hatte er in seinem Suffkopp die Pferde ausgespannt, bevor er zurück zur Burg wollte. Als er dann vom Wagenbock aus sein Gespann in Bewegung setzen wollte, trabten die Gäule brav los und der alte Döskopp wurde mit den Zügeln vom Bock gerissen - - - - allerdings ohne das Fuhrwerk." Ein schelmisches Grinsen umspielte die Mundwinkel Taninia's. "Danach sah er aus, als hätte er zehn Übungskämpfe nach eurer Art gehabt. Also, habt ein Auge auf ihn! Seine Liebe zum Trunke hat ihn schon einmal fast das Leben gekostet."
Arlin mußte immer noch leise lachen, als er in seiner Kammer verschwand, um sich für den kleinen Auftrag auszurüsten. Die "Bauchlandung" vom alten Gorm hätte er zu gerne gesehen! Nach dem Mittagsmahl, das die Besatzung gemeinsam im Speiseraum eingenommen hatten, betrat Arlin den Hof. Dort wartete schon Firunja auf ihrem Pferd sitzend auf ihn. Auch Gorm saß pfeiferauchend auf dem Bock des kastenartiges Fuhrwerks.
"Na, das wurde ja auch Zeit, junger Mann!" grummelte der alte Schmied mit zusammengezogenen Augenbrauen, "Ihr Sewerier seid wohl nicht von der schnellsten Sorte! Wenn wir euch damals beim Maraskanfeldzug dabei gehabt hätten, würden wir immer noch nicht von den Schiffen runter sein, hihi!"
Arlin machte eine unschuldige Geste und bestieg sein Pferd, das ihm Geppert aus dem Stall geholt hatte. "Na denn!" orderte Gorm und setzte das Fuhrwerk rumpelnd in Bewegung.
Gorm - Schmied auf GrünwarteTrotz seines Alters von siebzig Götterläufen lenkte der greise Schmied das Gespann geschickt den gewundenen Burgweg hinunter. Dann bog Gorm in den Querweg  Richtung Norden ein, dieser führte die drei Grünwarter direkt nach Grensacht. Es dauerte etwa eine Viertelstunde, bis sie die ersten Häuser des Dorfes erreichten. Vorbei an einigen Behausungen der hier ansässigen Holzfäller, ließen sie unter anderem auch die kleine Gaststube "Zum Axthieb" am Wegesrand liegen.
Der Köhler, der Gorm's Ziel war, war etwa eine Meile außerhalb des Dorfes, am anderen Ende zu finden. Oft winkten einige Bewohner dem alten Schmied freundlich zu, da er den größten Teil seines Lebens hier verbracht hatte. Auch blieb ein kurzer Schwatz mit dem Dorfschulzen nicht aus, bei dem sich Firunja und Arlin auf ihren Pferden gelangweilt umschauten. Nur noch an der neuen Sägemühle vorbei und dann würde sie das Dorf verlassen. Doch der Alte quasselte immer noch.....
Nach einer Weile wurde es dem Sewerier zu bunt. "Gorm!" rief er freundlich, doch dieser reagierte nicht und redete unentwegt weiter. "GORM!!!" Arlin's Tonfall wirkte nun ungehalten. "WAS DENN?!" Verärgert wandte sich der Alte dem Novizen zu, "Unterbrich gefälligst nicht, wenn ältere Leute eine wichtige Besprechung haben!" Schon wollte der Schmied seine Unterhaltung fortsetzen, doch Arlin mischte sich wieder dazwischen. "Sag mal, hast du vergessen, daß wir beim Köhler Holzkohle für die Schmiede holen wollten?"
Gorm machte ein grübelndes Gesicht. "Was? Holzkohle? Welche Schmiede?" Augenblicke später schien ihm ein Licht aufzugehen. "Ja,...ja, natürlich! Ähhh.. Gut, mein Junge, daß du mich daran erinnert hast, wirklich gut...ja.." Er wandte sich noch einmal kurz zum Grensachter Schulzen, um sich zu verabschieden: "Ja, Bosper, alter Haudegen, mögen dich die Zwölf auf deinen Wegen begleiten. Mach's gut, bis zum nächsten Mal." Auch der Schulze verabschiedete sich von den Dreien, wünschte ihnen den Segen der Götter und mit einem letzten Winken wanderte er weiter in Richtung Dorfmitte. Dort befand sich rein zufällig der "Axthieb".
Gorm schnalzte laut mit der Zunge und setzte sein Fuhrwerk rumpelnd in Bewegung. Ebenso trotteten die Reittiere der Novizen nebenher. Hinter der alten Sägemühle bogen sie nach links auf einen schmalen Pfad, der durch den dichten Wald führte. "Dieser alte Aufschneider!!" schimpfte Gorm und meinte damit den Dorfschulzen, mit dem er sich gerade zuvor freundlich unterhalten hatte, "Glaubt wohl, daß in seinen vertrockneten Lenden noch Rahja's Feuer lodert. Und nur, weil ihm die junge Schankmaid Alrike einmal freundlich zugelächelt hat. Dieser alte Hahn, dieser... Hahaaaa! Den würde ich doch glatt ausstechen bei der Alrike, so wie ich gebaut bin, oder?" Statt einer Antwort konnten sich die beiden Novizen nur ein mitleidiges Lächeln abringen. Doch Gorm nahm das als Bestätigung auf und freute sich schon auf den Rückweg. "Nachher," meinte er fröhlich, "wenn wir beim Köhler Wulfhelm fertig sind, werde ich euch zeigen, wie die Alrike aus dem "Axthieb" auf mich fliegen wird, haha!! Ihr werdet's schon sehen!!"
Firunja und Arlin nickten bestätigend. "Ja, Gorm. Natürlich Gorm, wenn du es sagst..." erklärte Firunja beschwichtigend. Auch Arlin unterstütze Gorm's Vorhaben, indem er die flache Hand klatschend auf die andere Faust hieb. Gorm  lachte. "Ihr werdet's schon sehen!" wiederholte er und trieb seine Zugpferde an.


Kapitel 3 - Wulfhelm, der Köhler

Es mochten noch gute vierhundert Schritt bis zur Kate des Köhlers sein, da zügelte Arlin sein Pferd. "Rauch!!" stellte er tonlos fest und schnupperte nach allen Himmelsrichtungen, "Aber von einem Meiler ist das nicht, das riecht anders, irgendwie mehr nach Harz. Es muß von da vorn kommen!" Der Bornländer wies mit ausgestrecktem Arm in die Richtung, in die ihr weiterer Weg führen sollte. "Es stimmt, du hast Recht!" bestätigte nun auch Gorm mit zusammengezogenen Augenbrauen. Auch Firunja schien den Geruch wahgenommen zu haben, denn ihr hübsches Antlitz verdunkelte sich besorgt. "Firunja, komm, das kann nicht mit rechten Dingen zugehen." rief Arlin seiner jungen Gefährtin zu und stieß Jallik die Stiefel in die Flanken, "Und du Gorm, bleibt vorsichtshalber zurück! Wer weiß, was passiert ist! Denk an dein Alter!" Dann stoben die beiden Novizen davon.
"Denk an dein Alter, denk an dein Alter." brummelte sich Gorm mürrisch in den weißen Bart, "was glaubt der, wer er ist, dieser junge Möchtegerndraufgänger! Will doch bloß dem Mädel imponieren, dieser Grünschnabel!" Entgegen Arlin's gutgemeintem Ratschlag setzte der alte Schmied den Wagen wieder langsam in Bewegung, um den beiden vorsichtig zu folgen. Doch hielt er seine alten Augen und Ohren offen, damit seinen Sinnen nichts entging.
Währenddessen waren die beiden Novizen in halsbrecherischem Tempo den gewundenen Waldpfad entlang geprescht. Immer wieder mußten sie dünnen Ästen und Zweigen ausweichen, die ihnen sonst ins Gesicht gepeitscht hätten. Nach nur kurzer Zeit näherten sie sich dem Ursprung des immer dichter werdenden Qualms. Zwischen dem gedämpften Hufgetrappel ihrer Pferde auf dem weichen Waldboden, vernahmen sie plötzlich gräßliches Schreien. Ein Todesschrei??
Einige Lidschläge später konnten sie durch die mittlerweile lichter stehenden Bäume die Köhlerhütte erkennen, die in lichten Flammen stand. Als sie darauf eine kleine Felsengruppe erreichten, die den Weg zu beiden Seiten flankierten, parierte Arlin seine Fuchs energisch durch und kam zum Stehen. "Firunja, hast du die pelzigen Gestalten bei der Kate gesehen?" rief er abgehetzt der Novizin zu, die ebenfalls die Zügel angezogen hatte, ihr Pferd anhielt und behende aus dem Sattel sprang. Anscheinend hatte seine Gefährtin ebenfalls die Schwarzpelze erspäht und beantwortete Arlin's Frage. "Ja, Orks! Dieses verdammte Pack! Konntest du erkennen, wieviele es sind?" Beide Novizen banden die Zügel ihrer Reittiere schnell an ein niedriges Gestrüpp. "Nein," entgegnete der Sewerier, "dazu sind wir noch zu weit entfernt. Laß uns näher heranschleichen, aber nicht zusammen! Wenn sie einen von uns erwischen, hat der andere immer noch die Möglichkeit Hilfe zu holen. Wir werden auf Sichtweite bleiben und uns Zeichen geben, einverstanden?" Firunja nickte und die beiden schlichen sich getrennt an den Ort des Geschehens heran. Arlin hatte seinen Dolch gezogen, um plötzlichen Angriffen nicht vollkommen wehrlos ausgeliefert zu sein.
Währenddessen erreichte Gorm mit dem Fuhrwerk die Stelle, von der aus er die hohe Lohe erkennen konnte. Weiter vorn erspähte er die angebundenen Pferde der Novizen, die genüßlich an den jungen Trieben eines Busches knabberten. Entsetzt betrachtete er das Schauspiel der wütenden Flammen, die sich unaufhaltsam in die Hütte seines alten Freundes Wulfhelm fraßen. Was mochte dort geschehen sein? Was war mit seiner Frau, mit seinen Töchtern?    Zunächst lenkte er sein Fuhrwerk zwischen die Baumstämme am Wegesrand, hielt die Zugpferde an und zog den Hebel der Feststellbremse. Ächzend kletterte er vom Bock und suchte Deckung hinter einer vom letzten Sturm herausgerissenen Baumwurzel. Von hier aus versuchte er mit zusammengekniffenen Augen mehr zu erkennen. Weit vorn, etwa hundertfünfzig Schritt entfernt, konnte auch der alte Schmied sehen, daß dort Schwarzpelze ihr Unwesen trieben. Und da - waren da nicht Firunja und Arlin, die sich vorsichtig näher herantasteten. 'Doch nicht so ganz ohne, diese Beiden' dachte Gorm bei sich. Aus seinem Versteck heraus verfolgte Gorm, wie sich die Novizen unter Ausnutzung jeglicher Deckung nach vorn schlichen. Er selbst wollte hier sicherheitshalber auf sie warten, schließlich mußte er ja an sein Alter denken!!!

Kapitel 4 – Orks!!!

Arlin war mittlerweile auf knapp fünfzig Schritt an die brennende Köhlerhütte herangerobbt. Zwischen den Baumstämmen konnte er Firunja beobachten, die ebenfalls in der gleichen Entfernung hinter einem mannshohen Felsen Deckung gefunden hatte. Es war ein Bild des Grauens, das sich den jungen Novizen bot.Arlin zählte sieben mit Arbach und Gruufhai bewaffnete Orks, die die Köhlerfamilie brutal überfallen hatten. Sie hatten Wulfhelm, den Köhler bestialisch ermordet, indem sie ihn an zwei schwere Stützbalken des Meilers genagelt hatten. Der Schädel bestand nur noch aus einer blutigen Masse. Sie hatten den Mann bei lebendigem Leibe skalpiert, denn bei einem der zweibeinigen Bestien baumelte ein blutiger Haarschopf am Gürtel. Sonst konnte der Bornländer keine Wunden an der Leiche feststellen, abgesehen von den durchlöcherten Händen und Füßen des armen Mannes.
Von der Frau des Köhlers war nichts zu sehen, doch durchbohrten ihre gepeinigten Schreie Arlin's Gedanken. Anscheinend wurde sie nacheinander von den Schwarzpelzen hinter dem hoch geschichteten Meiler geschändet. Die beiden etwa zehn Götterläufe alten Mädchen standen aneinander gefesselt etwas abseits und verfolgten mit ihren kleinen, fassungslosen Gesichtern, wie ihre Mutter gepeinigt wurde. Der Ork, an dessen Gürtel der Schopf des Vaters hing, stand lachend neben ihnen und feuerte seine Kumpanen bei ihrem götterlosen Tun an. Das Dach der brennenden Hütte brach krachend in sich zusammen und Funken stoben in den klaren Nachmittagshimmel.
Während Arlin Gedanken durch den Kopf schossen, was sie hier ausrichten konnten, verließ ein Ork den Schauplatz. Er lenkte seine Schritte in die Richtung des großen Findlings, hinter dem sich Firunja verborgen hatte. Vorsichtig gab er ihr Zeichen. Doch hatte die junge Frau längst bemerkt, daß sich ihr Gefahr näherte. Geschickt rollte sie durch das weiche Laub zurück, das den Waldboden einem Teppich gleich bedeckte. Blitzschnell war sie hinter dem nächsten Gebüsch verschwunden und näherte sich somit Arlin's Versteck. Der Schwarzpelz war währenddessen an dem Felsblock angelangt und urinierte genau an die Stelle, wo Augenblicke vorher Firunja noch gelegen hatte. Er schien sich sicher und unbeobachtet zu fühlen, war er doch in Ruf - und Sichtweiteweite seiner Stammesgenossen geblieben. Nachdem er sich wieder entfernt hatte, schlich sich Arlin vorsichtig zu seiner Kameradin. "Firunja, es wäre reiner Selbstmord, gegen diese Ungeheuer anzutreten." flüsterte er, "Ich habe zwar ein gewisses Maß an Mut, doch würde es die Göttin sicher nicht gutheißen, wenn wir uns im aussichtslosen Kampf abschlachten lassen würden. Damit wäre nichts gewonnen!"
Grunzende Rufe, die einen kommandoähnlichen Tonfall hatten, lenkte die Aufmerksamkeit der Beiden hin zum Schauplatz des Geschehens. Wohl machten sich die Orks fertig, um den Ort ihres Überfalls zu verlassen. Die Mädchen, deren Hälse mit einem zwei Schritt langen, groben Strick aneinander gebunden waren, stützten die jammernde Mutter, die kaum des Gehens fähig war. Die Schwarzpelze stießen ihre Gefangenen mit brutalen Schlägen vor sich her in den Wald hinein, der sich auf der gegenüberliegenden Seite wieder verdichtete.
"Verdammt! Firunja, was wollen wir tun?" Die Novizin konnte nur noch eine verzweifelte Ratlosigkeit in den Zügen ihres Gefährten erkennen. Auch sie fühlte sich gerade gar nicht wohl in ihrer Haut. Firunja mußte hart mit sich kämpfen, um nicht einfach auf die Orks loszustürmen und damit nur ihr Leben und das des Kameraden zu gefährden. Mit wutverzerrtem Gesicht, diese götterverfluchten Schwarzpelze! Nichts haßt ein echter Greifenfurter mehr, wandte sich Firunja an Arlin: "Du nimmst dein Pferd und reitest los, um jede Hilfe zu holen, die du bekommen kannst. Ich bleibe und folge ihnen. Ich kann und will die Orks nicht aus den Augen lassen. Wenn sie den Kindern nur ein Haar krümmen, dann, dann...."
Firunjas Antlitz sah momentan gar nicht mehr hübsch aus, so war sie in Wut. Arlin hatte so seine Bedenken, ob das eine gute Idee ist, so wütend wie Firunja gerade war. Aber jetzt mit ihr zu diskutieren half nichts und am allerwenigsten der Köhlerin und den Kindern. Arlin vertraute auf Phex, daß er über Firunjas Schritte wachen möge und wünschte sich selbst den Segen von Rondra und Rahja, auf daß er reiten möge, wie der Wind.
So schlich Arlin wieder zu den Pferden und Gorm zurück, vorsichtig und leise. Gorm bekam nur ein Gemurmeltes "Muß Hilfe holen" mit, bevor Arlin gen Grensacht davonpreschte.
Der alte Schmied schüttelte den Kopf. Auf welchen der beiden jungen Novizen sollte er nun aufpassen? Doch in seinem Alter.... das Beste was er tun konnte, war erst einmal ,das Pferd von Firunja zu nehmen... Und jetzt? Mmmh, vielleicht wäre es gut, wenn er der Novizin in großem Abstand folgen würde, und damit den anderen, falls nötig, brauchbare Spuren hinterließe. Ja, das ist gut! Überzeugt von seiner Idee, stieg Gorm vom Kutschbock, ‚Aaah, erst mal die müden Knochen strecken!‘, Firunjas Pferd wurde wieder festgebunden und auch seinen Klepper band er an ein Gesträuch. Schnell nahm noch ein paar Äpfel aus seiner Tasche und folgte den Spuren der Orks in großem Abstand.

Jallik schnaubte und wieherte. Noch nie hatte ihn sein Herr so gnadenlosgeritten. Immer wieder stieß Arlin seinem Reittier die Fersen in die weichen Flanken. Doch Jallik gehorchte den ruppigen Befehlen seines Herrn. Es schien, als wären Reiter und Pferd zu einer Einheit verschmolzen. Ohne Rücksicht auf die Zweige, die ihm ab und an ins Gesicht peitschten, galoppierte Arlin in scharfem Tempo den gewundenen Waldpfad entlang. Ein kleiner Dorn hatte ihm halbfingerlang die Stirn aufgekratzt und ein erster Blutstropfen fand seinen Weg in Richtung der Schläfe. Doch hatte Arlin die kleine Wunde vor lauter Aufregung und Besorgnis noch gar nicht wahrgenommen. Endlich, endlich hatte er die Straße, die direkt nach Grensacht führte, erreicht. Ab hier ging es schneller voran. In gestrecktem Galopp preschte der Novize in Richtung des kleinen Ortes. Entlang des alten Karrenweges konnte er in einiger Entfernung die Sägemühle ausmachen, an der sie erst vor kurzer Zeit vorbei gekommen waren. 'Bei Rondra - war es richtig, Firunja überhaupt allein zu lassen?' schoß es dem Bornländer durch den Kopf. 'Hatte der edle Herr nicht einmal gemahnt, daß man grundsätzlich zu zweit bleiben solle?' Der Novize war zweifelnd hin und hergerissen. 'Was ist in diese Lage nun richtig? Die Orks in Anbetracht ihrer Übermacht ohne Hilfe alleine zu verfolgen, wäre sinnlos gewesen! Die Wacht muß auf jeden Fall informiert werden! Doch die Gefährtin allein den Schwarzpelzen folgen zu lassen, ist zum einen die Mißachtung eines Befehls und zum anderen von großer Gefahr für die junge Novizin. - - - - Ich muß zurück!!! Und zwar schnell!!! Doch erst jemanden finden, der auf Grünwarte Kunde von dem Überfall bringt und davon, daß wir uns auf den Fersen der Orks befinden. Nur, wie, Hesinde steh mir bei, sollte die Hilfe von der Burg unsere Spuren finden?'

Kapitel 5 - Sägemehl

Die Gedanken überschlugen sich rasend schnell in Arlin's Kopf, während er, flach über Jallik's Hals geduckt, dahinpreschte.  Fast wäre er an der Sägemühle schon vorbeigeritten, als er neben dem alten Gebäude aus den Augenwinkeln einen klapprigen Leiterwagen bemerkte, welcher gerade vom Sägewerker und einer älteren Waldarbeiterin abgeladen wurde. Aus vollem Gallop parierte der Bornländer Jallik durch. Der letzte Stamm war eben abgeladen, als Radulf, der Sägewerker und die Holzfällerin Josmine den vom Pferd gesprungenen jungen Mann auf sich zustürmen sahen. Erschrocken weiteten sich ihre Augen, als sie vernahmen, was sich bei der Hütte des Köhlers Wulfhelm zugetragen hatte.
"Junge," und eine kräftige Hand krachte auf Arlin's Schulter, "setz deinen Hintern aufs Pferd und folge deiner Gefährtin! Ich übernehme es, deine Leute von dem Vorfall zu unterrichten. Und schick bloß den ollen Gorm hierher! Wer weiß, wozu dieser alte Tattergreis in der Lage ist." Josmine schob ihre sehnige Gestalt an dem Sewerier vorbei und kletterte flink auf den Kutschbock. Mit hundertmal geübten Anweisungen dirigierte sie ihr Zugpferd so, daß ihr Wagen alsbald in Fahrtrichtung nach Grensacht stand. Mit einem kurzen Pfiff und kräftigem Schlagen der Zügel setzte sie ihr Gefährt in Bewegung.
Gerade wollte Arlin wieder aufsitzen, als er den sicher vier Spann hohen, zusammengefegten Berg aus Sägemehl erblickte. 'DAS ist es!!!' Als wäre er von
Hesinde erleuchtet, schickte der Novize ein kurzes Dankesgebet gen Alveran. "Schnell, gib mir einen Tuchbeutel, oder etwas ähnliches! Frag nicht! Ich brauche ihn. Rasch!!" ging seine Order an den Sägewerker. Mit verwundertem Gesichtsausdruck verschwand Radulf in seiner Sägemühle und kam einige Augenblicke später mit einem Leinenbeutel, den man sich über die Schulter hängen konnte, wieder heraus. "Hier, Herr. Wenn ihr damit vorlieb nehmen wollt?" "Ja!" entgegnete Arlin hastig, "Der ist mir recht! Nun hilf mir, das Sägemehl hinein zu schaufeln!" Verwirrt kam der Radulf der Aufforderung des Seweriers nach. Beide schaufelten mit vollen Händen das Sägemehl in den Beutel, bis er prall gefüllt war. Flugs hängte ihn sich Arlin um die Schulter und eilte zu Jallik, der mit scharrenden Hufen auf ihn wartete. "Hab Dank, guter Mann!" rief der Novize dem Sägewerker noch zu, während er in den Sattel sprang,. "Und schicke die Ordenskrieger, die hier bald daherreiten werden, zur Köhlerhütte. Dort sollen sie der Spur aus Sägemehl folgen."  "Ja Herr, natürlich!" Doch die letzten Worte Radulf's konnte Arlin schon nicht mehr hören, da er wieder davongeprescht war. Es dauerte nicht lang, als der Bornländer erneut den Platz erreichte, an dem er Gorm verlassen hatte. Doch war von dem alten Schmied nichts mehr zu sehen. 'Er wird doch wohl nicht....?!' mutmaßte Arlin mit gerunzelter Stirn. Vorsichtig näherte er sich der mittlerweile völlig heruntergebrannten Köhlerhütte. Nur noch ein dünner Rauchfaden stieg zwischen den hohen Bäumen empor. Dort erwartete ihn immer noch der grauenhafte Anblick der skalpierten Leiche von Wulfhelm, dem Köhler. Dicke, grünliche Schmeißfliegen hatten sich auf dem nackten, blutigen Schädelknochen niedergelassen und ein süßlicher Geruch von geronnenem Blut kroch in Arlin's Nase. Wohl hatte der Novize auf den Weiden Vallusas schon vom Kampf verstümmelte Tote gesehen, doch kostete es ihn starke Überwindung, dem armen Mann, mit Hilfe seines Dolches, die eisernen Nägel aus Händen und Füßen zu lösen. Beim letzten Nagel brach die Klinge des Dolches, und Arlin zog mit aller Kraft, bis auch dieser Nagel aus der rechten Hand des toten Köhlers glitt. Behutsam legte er die Leiche auf den Boden, suchte einige unverkohlte Bretter und deckte ihn damit notdürftig zu. Mehr konnte er im Moment nicht für ihn tun. Nach einem kurzen Gebet zum Herrn Boron setzte der Bornländer seine Spurensuche fort.Nach kurzer Zeit wurde seine besorgte Annahme bestätigt. Auf den Spuren der Orks und denen, die von Firunja stammen mußten, fand er die großen, langen Schuhabdrücke, die er ohne Zweifel dem Schmied zuordnete. "Dieser von Hesinde verlassene...." murmelte der Bornländer fluchend. Die Schatten der Blutulmen waren schon sehr lang geworden, als sich der Novize in das dichte Gehölz des geheimnisvollen Aldehjerte begab, um seiner Gefährtin und dem alten Gorm zu folgen. Gleich zu Beginn warf er eine Handvoll des Holzmehles auf den weichen Waldboden, um seinen Ordensbrüdern eine deutliche Spur zu legen. Diesen Vorgang wiederholte Arlin in nahezu gleichen Abständen etwa alle zwanzig Schritt.

Kapitel 6 - Josmine

Die Straße von der alten Sägemühle bis hin zum Dorf Grensacht beschriebeinen weiten Linksbogen. Annähernd sechshundert Schritt trennte die Ortschaft vom Schaffensplatz des Sägewerkers Radulf. Der Weg war nichts weiter als festgefahrener und getretener Lehm, an den Seiten flankiert von Gestrüpp, Unterholz und vereinzelt stehenden Bäumen. Hier rumpelte nun die Holzfällerin Josmine auf ihrem Leiterwagen, so schnell es ihr alter Zosse zuließ, gen Grensacht und danach weiter zur Grünwarte. Nur entging es ihrer Aufmerksamkeit, daß sich ein Achsensplint gelöst hatte und abgefallen war. Während der Fahrt auf dem holperigen Weg näherte sich das rechte  Vorderrad bedrohlich langsam dem Ende der Achse. Ein Geflecht von Baumwurzeln, das schon seit vielen Götterläufen behäbig über den Weg kroch, war der Auslöser des Unglücks. Schlagartig wurde das Gefährt herumgerissen, als sich das Speichenrad vom Wagen löste. Wie von der Hand eines Riesen wurde die Hozfällerin vom Kutschbock geschleudert. Unsanft landete sie direkt vor dem Fuhrwerk, welches unweigerlich auf sie zu geschliffen wurde. Es war unausweichlich! Einen Lidschlag später wurde die Frau von dem Leiterwagen erfasst und überrollt. Ein zweimaliges Knacken in ihrem Körper war das letzte, was Josmine noch spürte, dann umfing sie eine wohltuende Dunkelheit. Schwer verletzt und bewußtlos lag die Holzfällerin am Wegesrand. Aus Nase und Ohr rannen ihr dünne Blutfäden und das linke Bein stand in unnatürlicher Haltung vom Körper ab. Der Leiterwagen hatte sie unter ein dichtes Gebüsch geschliffen. Ihr Leben hing an dem berühmten seidenen Faden, denn Golgari hatte bereits seine Schwingen ausgebreitet, um sie über das Nirgendmeer zu holen.

Kapitel 7 - Firunja

Firunja schlich unterdessen, so gut sie konnte, den Orks hinterher. Zum Glück rechneten diese mit keinen Verfolgern und machten genug Lärm, um selbst nichts zu hören. Zwischendurch verteilten die Orks den erbeuteten Proviant untereinander. Dabei fiel Firunja ein, daß sie selbst weder etwas zu trinken noch zu Essen dabei hatte. Mit einem lauten Grummeln stimmte ihr darin ihr Magen überein. Aber sobald sie sah, wie die Mädchen behandelt wurden, vergaß sie jedes unangenehme Gefühl, und spürte nur noch den alles verzehrenden Haß auf Orks! Die Mutter hatten die Orks auf ein Orkpony gebunden, sie war momentan nicht in der Lage zu laufen, und die Mädchen zogen sie an Seilen, die sich um ihre Hälse zogen, wie Hunde hinterher. Manchmal bekam eines der Kinder einen Tritt, nur so, ohne Grund, doch weinen taten diese schon lange nicht mehr. Sie stierten nur stumpf zu ihren Füßen. Oh, wie sehr mußte sich Firunja zurückhalten, um nicht einfach mit gezogenem Schwert auf diese Monster loszustürmen. Es wurde langsam dunkel. Die Orks bereiteten ein Nachtlager in der Nähe eines kleinen Baches. Die Leine der Mädchen wurden an einen Baum gebunden. Sie hatten noch genug Lauffreiheit um den Orks Wasser aus dem Bach zu schöpfen und zu bringen. Die Mutter wurde vom Pony gezogen und am Boden liegen gelassen. Sie rappelte sich soweit auf, um zum Baum zu kriechen an den die Mädchen gebunden waren. Dabei begleitete sie das Spottgelächter der Orks. Als sie am Baum angelangt war, kam einer der Schwarzpelze und fesselte sie an Händen und Füßen. Die Mädchen durften als letztes ihrer Mutter noch etwas zu trinken bringen, bevor sie selbst gefesselt wurden und zusammen mit ihrer Mutter in den Schlaf entflohen. Auch die Orks wurden langsam müde, sich immer wieder von ihrer heutigen Tat zu erzählen und wurden leiser.
Firunja überlegte, wie sie die Nacht verbringen sollte. Sie wollte auf keinen Fall zu tief schlafen, wenn überhaupt, und brauchte einen sicheren Rastplatz. Der Baum dort schien nicht schlecht! Wenn sie oben läge, würde sie schon aus Angst herunter zu fallen, nicht zu tief schlafen. Und ein Ork würde dort kaum auftauchen.... Doch erst mal hochkommen... *pardautz* Gerade noch konnte sie einen Aufschrei verkneifen. Sie war zwar geschickt, doch nicht genug für den Baum. Sie würde wohl doch eher die Nachthier unten verbringen müssen. Wenn doch nur Arlin und die anderen rechtzeitig kommen würden. So alleine fühlte sich Firunja gar nicht mehr so mutig. Und wenn sie jetzt doch einschliefe? Leider ist man auch als verbriefte Kriegerin und Novizin im Orden Zorn Rondras nicht gegen Mutlosigkeit geschützt.
Doch was ist das? Ein leichtes Rascheln aus der Richtung, aus der sie kamen..... ein Tier, oder ...???


Kapitel 8 – Galacher ben Drous Aufbruch

Unterdessen auf Grünwarte...
Titina hatte zum abendlichen Mahle gerufen und die Ordenskrieger saßen in der Messe bei Tisch. Es schien der Weibelin Sarjaban nicht so recht zu schmecken,                                                            stocherte sie doch lustlos in ihrem Getreidebrei herum. Auffällig war vor alle ihr besorgter Blick, den sie immer wieder zur Eingangstür lenkte, in der Hoffnung, daß nun endlich die beiden Novizen erscheinen würden, die sie Gorm zur Begleitung mitgegeben hatte.
Es dunkelte bereits, und so lange konnte doch wohl das Abholen von Holzkohle nicht dauern! Aber vermutlich saßen sie mit Gorm im "Axthieb" und mußten ihn davon abbringen, sich sinnlos zu besaufen. 'Na, die können was erleben...'
Auch Galacher ben Drou, der ihr mit dem rundlichen Tarion Löwenzahn gegenüber saß, bemerkte die Unruhe in den Augen Taninia's... "Sie ist besorgt, da Gorm, Firunja und Arlin noch nicht zurück sind." Tarion versuchte nun seinerseits Galacher zu beruhigen, bevor dieser die Weibelin noch weiter verunsichert... "Die Beiden hätten schon längst zurückkommen sollen.... Ob ich nicht einmal nach den Beiden schauen gehe?? Ich meine wir kennen doch Gorm, bestimmt wird er Arlin und Firunja überredet haben im 'Axthieb' einzukehren... Ich könnte dann dafür sorgen, daß sie zumindest wieder soweit einen klaren Kopf zu haben um nicht vom Wagen zu fallen.....Was haltet Ihr davon?"
Taninia hatte ihr Essen kaum angerührt. Die Sorge um die beiden Novizen und den Schmied hatten bei ihr keinen rechten Appetit aufkommen lassen. Als das Mahl beendet war, wandte sie sich mit unsicherer Stimme an ihren Vorgesetzten. "Edler Herr, bitte auf ein Wort..." Leise und zitterig waren die Worte gewesen, mit denen sie Galacher ben Drou zögernd angesprochen hatte. "Ich bin in größter Sorge um die Novizen Firunja von Bärentrutz und Arlin von Jannerloff. Ich habe sie als Begleitung Gorms im Verlauf des Vormittags nach Grensacht geschickt. Ich weiß zwar, wie wir alle hier, daß unser Schmied nach seinen Geschäften noch gern auf ein Bier in den „Axthieb“ einkehrt, doch war er sonst stets vor Einbruch der Dunkelheit zurück." Ihr Blick wanderte zum Fenster, wodurch man über den Wipfeln der Bäume das volle Madamal an Phexens Sternenzelt erkennen konnte. Galacher schaute Taninia erschrocken an. "Ihr meint sie sind immer noch nicht zurückgekehrt? Hmm... in der Tat sehr seltsam. Ich denke wir sollten nach dem Rechten sehen. Weibelin, sucht euch drei Leute, die Euch und mich begleiten werden."
"Euch Herr?? Ihr wollt uns begleiten? Vielleicht haben Sie einfach nur getrödelt und sind nun im Verzug? Ich möchte Euch damit nicht belästigen." "Nun Weibelin, damit mögt Ihr recht haben, dennoch werde ich Euch begleiten. Wir brechen so schnell wie möglich auf. Sorgt dafür, daß die Pferde gesattelt werden." Als Galacher auf dem Weg in sein Quartier war, um sich für die Suche auszurüsten, dachte er sich, daß er sich das auf gar keinen Fall entgehen lassen wollte. Er betete zu den Göttern, dass den beiden Novizen nichts passiert war. Es war aber eine Tatsache, daß er mal einfach raus mußte. In ihm steckte schon seit jeher viel Tatendrang und daß er nun eine Aufgabe übernommen hatte, bei der er mehr befehligte, als selbst etwas unternehmen zu können, nagte an ihm. Er war an einem Punkt gekommen, von dem er dachte, daß er ihn erreichen würde, wenn er in einem hohen Alter wäre. Das Leben war zu ruhig geworden. Ihm fehlte noch eine Frau, dann wäre er wirklich seßhaft geworden. Der Gedanke gefiel ihm noch nicht. So war er froh, etwas Abwechslung zu bekommen, auch wenn es hieß ein paar Novizen entgegen zu reiten und sie für ihre Unpünktlichkeit zu rügen...
Es waren nur wenige Augenblicke vergangen, als er ausgerüstet in den Hof schritt und sich seinem Pferd näherte. Die anderen waren schon bereit und befestigten ihre Sättel. Taninia hatte die Krieger Aiden Neunfinger, Santos Wiesenhüter und Villa Adachi ausgewählt, sie zu begleiten. Der Wächter nickte ihnen kurz zu und stieg auf sein Pferd.
In Grensacht führte sie ihr erster Weg in den gut besuchten „Axthieb“, wo die Schankmaid Alrike der Weibelin erklärte, daß sie zwar gesehen habe, wie der Schmied im Laufe des Vormittages mit zwei Novizen den Ort durchquerte, sich jedoch, entgegen seiner Gewohnheit, bisher hier nicht eingefunden hatte. „Habt Dank für die Auskunft!“ entgegnete Taninia, verließ die Schenke und meldete ihrem Wächter. „Bei den Göttern, es scheint wirklich etwas passiert zu sein. Laßt uns zum Köhler reiten. Aufsitzen und weiter!!“ befahl Galacher sichtlich besorgt. Schnell hatten sie das Dorf hinter sich gelassen und sie ritten weiter in die Dunkelheit, als bald darauf der typisch süßliche Geruch des Todes in ihre Nasen stieg. Sofort waren sie alle aufmerksam geworden ,und die Stelle woher der Geruch kam war schnell gefunden.
"Herr, die Leiche kann hier noch nicht lange liegen. Einen halben Tag vielleicht. Sie lag die ganze Zeit bei dieser Hitze hier im Busch, daher auch der Gestank..." Aiden hatte die Zügel seines Pferdes der Kriegerin Adachi gegeben und kniete neben der Leiche. Sein Gesicht war im Dunkeln nur durch die Laternen und die Fackeln seiner Ordensgeschwister beleuchtet. Es war sehr bleich.
"Villa Adachi, reitet zur Wacht zurück und warnt die anderen. Bringt sie zu dieser Stelle hier und sorgt euch um die Leiche. Korporal Falkenberg hat das Kommando. Höchste Alarmbereitschaft! Ich weiß nicht genau, was hier vorgeht. Seid auf der Hut!" Der Blick des Wächters war nicht zu deuten. Bis aufs äußerste schien er konzentriert zu sein. Wie konnte das passieren und das auch noch so nah an der Wacht???
"Santos schau dich um, ob du ein paar Spuren findest, die uns weiterhelfen können, ansonsten machen wir uns auf den Weg!“
Während Kriegerin Adachi zurück zur Wacht ritt, saßen Galacher, Aiden und Taninia bereits in den Sätteln, während Santos mit einer Fackel in der Hand die nähere Umgebung erkundete. Es dauerte nicht lange, bis er auf die Spuren des Unfalls stieß. Eine tiefe Kerbe auf dem lehmigen Weg und Spuren von eisenbeschlagenen Rädern, aus Richtung der Sägemühle kommend, konnte er im flackernden Schein seiner Fackel ausmachen. "Galacher, schau!" rief er seinem Wächter zu, der langsam sein Pferd heranführte. "Hier sind doch eindeutig Wagenspuren auszumachen!" Immer wieder ging er den Bereich ab, wo sich die Spur verändert hatte. Im Gebüsch neben der Straße fand er nach kurzem Suchen das Rad, das sich vor einigen Stunden vom Wagen der Holzfällerin Josmine gelöst hatte. "WAS um alles in der Welt, ist hier passiert?" fragte Santos grübelnd in die Stille. Ein plötzliches Schnauben ließ ihn erschrocken herumfahren. Es kam aus dem tieferen Unterholz, das sich neben der Straße ausdehnte. Mit all seinen Sinnen, die aufs Schärfste gespannt waren, spähte der Krieger in die Dunkelheit. Wieder dieses Schnauben! Leiser Hufschlag war zu hören! Dabei ein hölzernes Knirschen, ein Schrammen!
  Auch Taninia war abgesessen und hatte sich an der Seite des Kriegers eingefunden. Beide tasteten sich mit gezogener Waffe vorsichtig in die Dunkelheit. Dann sahen sie es! Im Schein von Santos' Fackel erkannten sie Josemines Zugpferd, das ihnen zwischen den übermannshohen Büschen furchtsam entgegenblickte. Es war immer noch an dem verunglückten Leiterwagen angeschirrt und wirkte entkräftet. "Den Göttern sei Dank!" flüsterte Santos, "Es ist nicht Gorm's Wagen!"  Mit beruhigenden Worten gingen die Weibelin und der frischgebackene Windreiter auf das Tier zu, dessen Flanken heftig zitterten. Während Taninia weiter ruhig auf das Pferd einsprach und es an den Nüstern streichelte, begann Santos das Zuggeschirr abzunehmen. Es dauerte nicht lang, als sie das Tier aus dem Unterholz auf die Straße führten. Willig war es seinen Erlösern gefolgt. "Ein Unglück!" stellte Santos seinem Vorgesetzten gegenüber fest. "Wahrscheinlich hat sich das Rad während der Fahrt gelöst, so daß es zu diesem tödlichen Unfall mit der Frau kam." Dabei nickte er in die Richtung, wo sie die Leiche gefunden hatten. "Wir sollten die Spur zurück verfolgen!" schlug Taninia vor. "Vielleicht hat dieser Unfall etwas mit dem Verschwinden von den Novizen und Gorm zu tun, denn im "Axthieb" sind sie ja nicht eingekehrt."
Santos führte Salix am Zügel, während die anderen langsam nebenher ritten.
Taninia hatte die Zügel des herrenlosen Pferdes an ihrem Sattelknauf befestigt.

Kapitel 9 - Radulf

An der Sägemühle endete die Spur der Räder. Das alte Gebäude lag im völliger Dunkelheit. Kein einziger Lichtstrahl schien auch nur durch die kleinste Fensterritze zu dringen. Nur das ächzende Knarren und Knarzen des Mühlrades mischte sich mit dem leisen Plätschern des Baches. Während Santos weiter die Straße nach Spuren absuchte, stiegen die anderen von den Pferden. "Hier sind verschiedene Spuren von einigen Stiefeln." bemerkte Wiesenhütter. "Und hier....", er ging die Straße ein Stück weiter in den Wald hinein, "Hier muß jemand sein Pferd aus schärfstem Tempo pariert haben. Jedenfalls kann ich mir das bei DIESEN Hufspuren nicht anders denken." Dabei deutete er auf die tiefen, verrutschten Abdrücke auf dem Weg.
Taninia war unterdessen zur Tür der Mühle gegangen. Mehrmals pochte sie laut dagegen. Zunächst rührte sich nichts, doch dann rumorte etwas im Inneren. Nach kurzer Zeit steckte Radulf sein verschlafenes Gesicht durch den Türspalt. Eine verschlissene, graue Zipfelmütze zierte seinen Kopf. "Wer, bei allen Göttern..... Oh, Krieger von der Wacht!!!???"
Der Sägewerker schien überrumpelt von dem nächtlichen Besuch. "Verzeih, Radulf, daß ich deinen verdienten Schlaf störe," begann die Weibelin, "aber es gab einen tödlichen Unfall, nicht weit von hier Richtung Grensacht." Schlagartig war die Müdigkeit des Sägewerkers wie weggeblasen. "Ein Unglück?" fragte er verwirrt, "Wer...?" "Eine Frau mittleren Alters mit ihrem Kastenwagen," erklärte Taninia, "Vermutlich hat sich ein Rad gelöst und die Führerin des Gefährts wurde vom Wagen geschleudert."
"Oh nein!!!" Sichtlich erschüttert nahm Radulf die Worte der Weibelin auf. "Arme Josemine!" Fassungslos schüttelte er den Kopf. "Sie muß es gewesen sein, denn am vergangenen Tag war sie die einzige mit einem Fuhrwerk, die bei mir ihre Ladung ablud." In seinem Hirn begann es unzweifelhaft zu arbeiten. Erschrocken starrte er die Weibelin an. "Dann wißt ihr auf Grünwarte von nichts? Ihr habt die Nachricht nicht erhalten??!!" Radulfs Worte waren mehr eine bestürzte Frage gewesen.
"Nachricht??? Welche Nachricht?" Besorgnis und Unverständnis zeichneten sich auf Taninias Gesicht ab. Sie nahm den Mann bei den Schultern. "Radulf, so rede schon! Was ist passiert?"
Mit einer kurzen Schilderung der Geschehnisse erklärte der Sägewerker, was sich zugetragen hatte. Er erzählte von den Orks, die die Köhlerfamilie überfallen hatte, von "dem jungen Burschen aus euren Reihen", der wie von Dämonen gehetzt hier ankam und davon berichtete und von der Sägemehlspur, die eben dieser junge Novize ab der Köhlerhütte legen wollte, wenn sie die Schwarzpelze verfolgen wollten. Auch vergaß er nicht, von dem hübschen jungen Mädel zu erzählen, die eine Stunde vor diesen Ereignissen mit Gorm und dem anderen Novizen die Mühle passiert hatten.
"Das erklärt auch die Hufspuren auf dem Weg!" warf Santos ein, der sich dem Eingang näherte und den Bericht Radulfs verfolgt hatte. Unschlüssig wandte er sich an seinen Wächter. "Es scheint, als hätten wir keine Zeit zu verlieren, Galacher. Wer weiß, was ihnen zugestoßen ist."
Ben Drou schien sich große Sorgen zu machen, auch wenn er es nach außen hin nicht zeigte. "Wir haben in der Tat keine Zeit zu verlieren. Radulf seid so freundlich und macht euch auf den Weg nach Grünwarte und berichtet was geschehen ist. Sagt Korporal Masato Falkenberg, dass er noch weitere vier Männer hinter uns her schicken soll. Beschreibt ihm gut, wo die Köhlerhütte ist. Sie können von dort aus unsere Spuren verfolgen. Nehmt das Pferd von Josemine. Gebt dem Korporal diesen Ring hier und er wird wissen, daß ich euch schicke."
Er gab dem Mann seinen einfachen silbernen Ring, den er schon seit seiner Kindheit trug und ihn nie abnahm. Es muß Jahre her gewesen sein, als er ihn das letzte Mal abgestreift hatte. Sein Blick wanderte zu seinen Ordensgeschwistern: "Wir machen uns sofort auf den Weg und suchen nach unseren Novizen und nach den Schwarzpelzen. Sollte sich eine Gelegenheit bieten, schlagen wir zu, ansonsten warten wir auf die Verstärkung. Los jetzt!"
Mit diesen Worten schwang er sich auf das Pferd und setzte sich in Bewegung.... „Möge Rondra ihr schützendes Schild über sie halten. Übernehmt die Führung, Sarjaban!“ befahl Galacher ben Drou. „Der Rest aufsitzen und weiter!"

Kapitel 10 – Gorms letztes Lächeln

Durch die dicht stehenden Bäume konnte Gorm schwachen Feuerschein ausmachen. Vorsichtig schlich sich der alte Schmied durchs Unterholz um der kleinen Waldlichtung näher zu kommen. Im schwachen Glühen der heruntergebrannten Feuerstelle erkannte er die Schwarzpelze, die es sich um die noch glimmenden Äste gemütlich gemacht hatten. Lautes Schnarchen zeigte Gorm, daß einige von ihnen schon eingeschlafen waren. Sechs der haarigen Mordbrenner konnte er zählen. Anscheinend hatten sie keine Wache aufgestellt, denn er konnte keinen weiteren bemerken, der die Gruppe während der Nacht als Posten sicherte. Etwas abseits des Lagers hörte er schmerzhaftes Stöhnen. Leises Weinen eines Kindes aus derselben Richtung bestätigte seine Annahme, daß dort am Rand der Lichtung die Frau des Köhlers mit ihren Töchtern sein mußte. Doch wo war Firunja? Hatte sie die Spur verloren, oder hatten sie die Orks während ihrer Verfolgung erwischt und getötet? 'Nein!! Orks waren zwar dumm, aber so eine kräftige, junge Frau hätten sie nicht erschlagen. Bestimmt wurde sie von dem Orkenpack überwältigt und gefangen genommen.' kam es dem Schmied in den Kopf, 'Sicher würden sie sie verschleppen und zu ihrer Sklavin machen. Nur, wo war sie? Haben sie die Novizin weiter hinten gefesselt? - - Ich muß das herausfinden!!! Vielleicht kann ich sie befreien...'Arlin von Jannerloff
Zwei nah zusammenstehende dunkle Augen hatten den alten Mann schon bei dessen Anschleichen an das Lager erblickt und durch das Dickicht verfolgt.     'Noch eine Glatthaut!' dachte Drughop bei sich. 'Soll er nur näherkommen. Ich werde leichtes Spiel mit ihm haben. Viel Wert hat er nicht, dazu ist er zu alt und zu dürr, aber als Blutopfer für Tairach eignet sich jeder dieser Menschen.' Die kräftigen Hauer des Unterkiefers schoben sich leicht nach vorn, als sich der schiefe Mund des Orks zu einem höhnischen Grinsen verzog. Eine pelzige Hand umschloß bei diesen Gedanken fest den Griff des mächtigen Gruufhais.
Als Gorm sich anschickte das Lager zu umgehen, mußte er den seichten Bach durchwaten, der die Lichtung durchfloß. Behutsam setzte er einen Fuß nach dem anderen auf die moosbewachsenen Kieselsteine, die die Ufer säumten. Jetzt der erste Schritt ins Wasser. Gorm fand festen Stand. Er zog den anderen Fuß nach, um mit einem großen Schritt das andere Ufer zu erreichen. Der Bach war an dieser Stelle ja nur knapp einen Schritt breit.
Drughop setzte seine gedrungenen Körper in Bewegung, um der Gestalt zu folgen. Erst jetzt konnte Firunja den Schwarzpelz erkennen, der sich höchstens zehn Schritt von ihr entfernt im Unterholz aufgehalten hatte.
In diesem Augenblick schob sich eine Wolke vor das Madamal. Dunkelheit hüllte die Lichtung ein. Der Fuß, den der Schmied auf einen kopfgroßen Stein setzen wollte, trat ins Leere. Gorm verlor das Gleichgewicht. Hilflos ruderte er mit den Armen, um den Sturz abzufangen. Platschend trat er ins Wasser und rutschte auf den glitschigen Kieseln weg. Der Länge nach fiel der Unglückliche in das Bachbett.
So schnell es seine alten Knochen zuließen, rappelte sich Gorm wieder auf. Die Wolke war vorbeigezogen. In Madas kaltem Schein erkannte der im flachen Wasser kniende Schmied die wütenden Blicke der aufgesprungenen Orks. Nach wenigen Herzschlägen änderte sich jedoch das böse Funkeln der Schwarzpelze in ein hämisches Grinsen, welches nach und nach in ein gutturales Gelächter überging. Sie kamen nicht näher, sondern blieben dort, wo sie sich erhoben hatten. Verwundert über die eigenartige Reaktion der Orks, verzogen sich die schmalen Lippen Gorms ebenfalls zu einem hilflosen, schiefen Lächeln.
Das Stapfen kräftiger Füße hinter ihm war das letzte, was der alte Mann wahrnahm. Ein heftiger Schlag auf den Hinterkopf ließ ihn in eine bodenlose Schwärze fallen. Triumphiernd setzte Drughop seinen breiten Stiefel auf den blutenden Kopf seines Opfers.
"DRUGHOP KHURKACH TAIRACHI!!!" hallte es rauh durch die erhabene Stille des Aldehjerte.

Kapitel 11 – Drughops Hand

Jetzt war das Fass übervoll! Einen alten Mann niederschlagen war das letzte, was Firunja an Taten der Orks noch ertragen konnte. Außerdem werden diese Schwarzpelze Gorm kaum als weiteren Sklaven benötigen. Dafür ist er wohl schon zu alt, wenn auch immer noch kräftig. Mit einem markerschütternden Schrei sprang Firunja aus ihrem Versteck und stürmte auf den Ork zu, der Gorm niedergeschlagen hatte. Irgendwie dachte sie noch daran ihr Schwert zu ziehen, bevor der rote Schleier der Wut sie blind machte. Wie eine Bestie sollte ab jetzt ihr Schwert unter den Schwarzpelzen wüten. Keine Rücksicht nehmend auf die eigene Gesundheit...
Völlig überrascht von dem schrillen Kampfschrei glotzten die Orks auf die heranstürmende Frau. Im kalten Madaschein erschien sie ihnen wie ein wirbelnder Schatten. Noch vier, fünf Schritte trennten Firunja von Drughop, der seinen schmutzigen Stiefel von Gorms blutendem Kopf abgesetzt hatte. Ein leises Stöhnen war aus dem schmerzverzerrten Mund des Schmiedes zu hören, doch konnte es die Novizin während ihres Laufes nicht wahrnehmen.
Für Drughop schien Firunjas Schwerthieb unausweichlich, bekam er doch seinen schweren Gruufhai nicht schnell genug in Abwehrhaltung. Instinktiv riß er seinen schwarzbepelzten Arm hoch, um der Wucht des Schlages irgendwie entgegenzuwirken. Mit einem sauberen Hieb trennte die tobende Kämpferin den Unterarm des Orks ab. Unterhalb des zuckenden Ellenbogens schoß ein dunkelroter Blutstrahl hervor. Drughop brüllte vor wahnsinnigem Schmerz markerschütternd auf. Mit der Linken versuchte er, den roten Strom aus seinem Stumpf einzudämmen, indem er sich den Oberarm abdrückte.
Firunja wirbelte herum. Die anderen sechs Schwarzpelze waren schnell heran. Sie begannen, die Frau zu umzingeln, doch noch hielt sie das zornige Funkeln in den Augen Firunjas davon ab, sie mit ihren Arbachs zu attackieren, ....noch!
Langsam begannen sie, Firunja zu umkreisen. Sie spielten mit ihrer Beute. Schon nach einigen Augenblicken konnte die Novizin Hohn in den Augen der Orks lesen. Die Furcht vor der Frau war gewichen. Immer wieder drehte sich Firunja im Kreis, um nicht plötzlich von einer hinterrücks geführten Attacke überrascht zu  werden. Schon war leises, fast triumphierendes Gelächter aus dem Rund der Schwarzpelze zu vernehmen.
Drughop hatte sich indessen wimmernd zur Feuerstelle geschleppt, wo er sich mit einem Lederriemen mittels gesundem Arm und Zähnen den blutenden Armstumpf abband. Ungebändigter Haß war in seine Augen getreten, als er kurz auf die Kämpferin starrte.
Sie fingen an, die Novizin mit schnellen Scheinattacken zu verunsichern. Doch urplötzlich stieß derjenige, an dessen Gürtel des Köhlers Skalp baumelte, von der Seite her nach Firunjas Hals.
Arlin konnte den Spuren der Orks nur schwer folgen. Die Dunkelheit des dichten Waldes schluckte die Fährte fast vollends. Dreimal schon hatte er die Spur schon für kurze Zeit aus den Augen verloren und er dankte den Göttern, daß er sie wiedergefunden hatte.  Plötzlich zerriß ein langgezogenes Triumphgeheul die Stille des Waldes. Nur wenige Herzschläge später hörte er den wütenden Schrei einer Frau. 'Firunja!' schoß es dem Bornländer durch den Kopf. 'Sie haben sie!!! So gut es sein Orientierungssinn vermochte, lief Arlin in die Richtung des Geräusches, ohne Rücksicht auf die Zweige, die ihm aus dem Dunkel ins Gesicht schlugen.
Da!!! Wieder!!! Jedoch war dieses ein eher animalischer Schmerzenslaut, der anschließend in ein wimmerndes Geheul überging. 'Verdammt! Die Biester zerhacken sie doch!! Wäre ich nur bei ihr geblieben!!!' zermarterte sich der Novize den Kopf, während er dem Geschrei nacheilte.

Kapitel 12 – Vor Uthars Pforte

Während Arlin durch den Wald eilte, hörte er wieder einen Schrei. Diesmal klang er fast wie ein erschrecktes Quietschen. Das war Firunjas Schrei. Der Ork hatte zwar nicht ihren Hals getroffen, dafür aber ihre Schulter gestreift. Solch ein Angriff, fast von hinten, hatte Firunja dermaßen erschreckt, daß sie wieder etwas klarer Denken konnte. Dies machte ihre Situation nur nicht gerade leichter. Jetzt sah sie klar die vielen Orks um sie herum. Das konnte sie nicht alleine schaffen. Aber wenigstens soviele wie möglich verwunden oder in die Niederhöllen schicken!!!
Kurz noch verschwendete sie einen Gedanken daran, wie heldenhaft von ihr dann geredet werden wird. Und so griff sie den Ork, der sie köpfen wollte, ihrerseits an. Sie hob das Schwert um ihm das gleiche Schicksal zuteil werden lassen, welches er ihr zugedacht hatte. Sie traf ihn auch! Nur hat eine anderer Ork den Moment genutzt, um nach ihren Beinen zu schlagen. Katzengleich, dem Beinschlag ausweichend, konnte Firunja ihr Schwert nicht mehr aus der Halswunde des Orks herausziehen. Es stak zu fest und Firunja mußte es stecken lassen.
Oh,oh, so mit leeren Händen verließ sie der Heldenmut recht schnell. Also doch erst mal das eigene Leben versuchen zu retten. Gekonnte schaffte sie es den verschiedenen Hieben der Orks auszuweichen, aber fünf gegen eine war ohne Schwert und nur mit Geschicklichkeit auch nicht unbedingt lebensverlängernd....
Langsam verlor Firunja die Kraft! Da, fast hätte ein Hieb sie ernsthaft getroffen. So blutete sie "nur" aus verschiedenen kleinen Schnitten. Lange konnte das Spiel "Eingekreist von Orks" nicht mehr gut gehen. Jedesmal, wenn sie einen Ausfall wagte, trieb sie einer der Schwarzpelze zurück in die Mitte... Sie spielten mit ihr ein böses Spiel, genauso wie die Scheunenkatz, bevor sie die Maus tötet.
Mit ganzer Kraft versuchte der getroffene Ork, dem Tode nahe und verzweifelt, Firunjas Schwert aus dem Hals zu ziehen. Schreien konnte er nicht mehr. Sein Ende vor Augen, riß er an der scharfen Klinge, wobei er sich die pelzigen Hände tief aufschnitt. Doch er bekam keine Luft mehr. Röchelnd brach er in die Knie. Mit jedem Herzschlag spritzte das Blut rhythmisch aus der tiefen Wunde. Sekunden später kippte der Schwarzpelz vornüber und sein Gesicht platschte in den murmelnden Bach. Sofort verfärbte sich das Wasser und sein Blut mischte sich in die langsame Strömung.
Als sie sahen, daß ihr Stammesbruder an den Folgen von Firunjas Hieb zu Tairach geschickt worden war, heulten die Orks wütend auf. Nun hatte die weibliche Glatthaut ihr Leben verwirkt! Grell schreiend warfen sie sich mit ihren Waffen auf die wehrlose Novizin, doch Drughop, der sich unbemerkt genähert hatte, brüllte ihnen einen Befehl entgegen. In seiner gesunden Hand hielt er einen armdicken Ast. Widerstrebend und fluchend ließen die Schwarzpelze von Firunja ab.
Firunja von BärentrutzDrughop trat in den Kreis, in dessen Mitte die junge Frau schwer atmend stand. "Drughop nun kein richtiger Khurkach mehr!" grunzte er haßerfüllt in gebrochenem Garethi und hielt Firunja seinen Armstumpf hin. "Nie wieder jagen gehen können! Nie wieder richtig kämpfen können! Dafür du sterben! Aber nicht schnell von Arbach, sondern langsam, mit das hier!" Er wies mit seinen böse funkelnden Augen auf den kräftigen Knüppel.
Kaum hatte er die letzten Worte gesprochen, schon holte er aus. Doch geschickt konnte die Novizin zurückspringen. Der Schlag ging ins Leere. Doch mit dem Knauf seiner Waffe stieß einer der umstehenden Orks Firunja in den Rücken. Sie taumelte nach vorne und fiel gegen ihren Widersacher. Die Novizin griff in das stinkende Schulterfell des Orks, um ihn zur Seite zu reißen, doch fehlten ihr mittlerweile die Kräfte, ihren Gegner zu überwältigen. Drughop stieß ihr mit dem Bein in den Unterbauch. Firunja knickte vor Schmerz ein und ein neuer Schlag traf ihren Hinterkopf.
Der Ork ließ sich Zeit mit ihrer Hinrichtung, ein bösartiges Grinsen umspielte seine gelblichen Hauer. Benommen richtete sich die Frau wieder auf. Ihre Schritte waren nur noch ein unkontrolliertes Torkeln. Wieder schlug der Ork zu. Diesmal traf er Firunja am Kopf. Sie flog regelrecht in den Bach. Aus einer Platzwunde an der Stirn floß augenblicklich ein breiter Blutstrom. Erneut versuchte Firunja auf die Beine zu kommen, doch schon war der Schwarzpelz heran und wieder trat er sie. Ihr Kopf flog herum und ihr war, als hätte seine Stiefelspitze das Auge ausgetreten. Die linke Gesichtshälfte wurde vollkommen taub. Noch nicht mal zum Stöhnen oder Schreien hatte Firunja noch Energie. Sie hielt sich nur noch das Gesicht und den Kopf, während weiter Schläge und Tritte des Orks auf sie niederprasselten. Kraftlos versuchte sie noch einmal vor den Hieben des gnadenlosen Orks davonzukriechen. Noch ein Schlag mit dem Ast ließ sie platt auf den Bauch fallen. Es war sinnlos! Der Kampf war vorbei! Firunja verlor das Bewußtsein, als der nächste Tritt Drughop's sie am Hinterkopf traf.
Doch der Ork hatte noch nicht genug! Immer weiter schlug und trat er auf den bewegungslosen Körper ein. Immer mehr steigerte sich der haßerfüllte Schwarzpelz in einen Rausch der Mordlust.  Ein kräftiger Tritt mit der Stiefelspitze traf die Herzgegend. Der pumpende Muskel versagte für einige Wimpernschläge seinen Dienst. Dann raste das Herz erneut los, um seine rote Fracht zu transportieren. Immer schneller, immer schneller pumpte es das Blut durch Firunjas Adern, als galt es einen Wettlauf zu gewinnen. Es stolperte, schlug unregelmäßig.... Das Herz war kräftig, es gehörte einer jungen, gesunden Frau. Immer wieder sauste der Knüppel herab. Doch wieviel Schmerz konnte dieser Körper noch hinnehmen? In den rasenden Herzschlag hatte sich ein Zittern gemischt, ein Vibrieren, das nicht sein durfte! Wie lange sollte ein Mensch so etwas aushalten? Das Vibrieren wurde stärker, immer mehr, immer bedrohlicher!! Es überschlug sich, kam aus dem Takt... Pumpen!!! Pumpen!!! Es ging nicht, verdammt es ging einfach nicht!!! Die Strömung in Firunjas Adern wurde unregelmäßig, stockte...........und kam zum stehen!!!!
Doch Firunja vernahm einen Ton! Ein Rauschen, nie zuvor gehört. Woher? Und warum erhob sie sich? Das Rauschen......immer stärker, immer lauter. Sie löste sich von dem Boden, auf dem sie lag, ganz leicht, schwerelos, immer höher. Sie sah ihren geschunden Körper, der reglos am Ufer des Bachbettes lag, die Orks, die sie in den undurchdringlichen Kreis eines aussichtslosen Kampfes gesperrt hatten, konnte Gorm erkennen, der wie sie, leblos einige Schritt entfernt lag. Spürte sie einen Luftzug? Sie ritt! War es wirklich soweit? Alles erschien ihr leicht, sorglos, neu und doch für immer, für alle Zeiten!? Die schwarzen Schwingen schlugen nicht und doch brachten sie Golgari mit Firunja fort. Unter ihr nicht mehr der Aldehjerte, - nicht die Markgrafschaft, - nicht mehr Dere!
Die grauen Wasser in der Tiefe bewegten sich nicht. Ein unendlicher Ozean, ein Meer der Ewigkeit. Wie tot lag es da, ruhig und still. Bilder huschten an ihr vorbei, Szenen die sie vor langer Zeit erlebt hatte. Ihr Bruder, auf dessen Rücken sie laut juchzend über den elterlichen Hof geritten war, die erste Nacht auf der Kriegerakademie zu Baliho, Schwimmen im Kettenhemd durch den Burggraben, die erste Schwertwunde beim Übungskampf, der Eintritt im Orden, Galacher ben Drou mit seiner väterlichen, aber auch strengen Art, der rundliche Adept Tarion Löwenzahn, der oft von den Ordensbrüdern geneckt wurde. Dann die Bekanntschaft mit Arlin, ihr erster Übungskampf, die Weibelin Taninia Sarjaban, Gorm - - - wie schnell waren diese Eindrücke vorbei.
Weit voraus ein Licht, gleißend, überwältigend, göttlich! Ein Tor ohne Grenzen, ohne Ende - Uthar!!!!  Davor konnte Firunja den Bogenschützen erkennen, eingehüllt in ein Gewand aus immerwährender Dunkelheit. Doch dieses Licht - hinter einer unsichtbaren Barriere, die sie nun durchschreiten sollte? Würde sie aufgenommen werden? Würde sie tatsächlich an Rondras langer Tafel sitzen dürfen, die Helden längst vergangener Tage schauen dürfen, die dort mit der Sturmgöttin speisten? Weit war es nicht mehr!!!
Ein Schlag!!! Firunja wurde gestoßen! Warum? Von wem? Wer wollte sie von dem Rücken des Golgari stossen? Warum ließ man ihr nicht die Gnade, vor Rethons Waage treten zu dürfen? Welch Frevel an Borons göttlichem Willen!!!!
Arlin hetzte durch das Unterholz. Er konnte von weitem die Lichtung im kalten Madaschein erkennen. 'Schneller, schneller!!!' hämmerte es in seinem Kopf. Schreien oder Rufen war sinnlos, außerdem war er viel zu sehr außer Atem, als daß er noch hätte Schreien können. Er sah, wie seine Gefährtin geschlagen wurde, immer wieder und wieder, doch er konnte ihr nicht helfen! Er war noch viel zu weit entfernt. Arlin sah sie zusammenbrechen, blutend und hilflos! Dieses Untier von Ork hieb und trat immer wieder auf sie ein. Der Bornländer wußte nicht, daß Firunja längst bewußtlos war.
Noch immer prügelte Drughop auf die leblose Firunja ein, als sich Arlin vom dunklen Waldrand aus mit gezücktem Schwert auf den Ork stürzte. Doch vernachlässigte er seine Deckung angesichts seiner Gefährtin und einer der Schwarzpelze fiel ihm mit seinem Arbach in den Schlag. Drughop fuhr herum! Das Schwert wurde dem Bornländer aus der Hand geschlagen und flog in hohem Bogen ins feuchte Gras. 'Nun ist es vorbei!' dachte auch Arlin in diesem Moment, doch wollte er unbedingt wissen, wie es um seine Ordensschwester stand. Zu überrascht waren die Schwarzpelze, als daß sie ihn sofort weiter angriffen. Arlin nutzte die ihm verbleibende Zeit und hastete zu Firunja. Doch es war zu spät!!! Sie hatte bereits ihren Flug über das Nirgendmeer angetreten.
"Ihr Ungeheuer!!" brüllte der Novize den Orks entgegen. "Eine Wehrlose erschlagen!!! Und ihr wollt so stolze Krieger sein?" Zornig spuckte er in die Richtung der Mörder seiner Gefährtin.
Arlin wollte einfach nicht wahrhaben, daß Firunja tot war. "Nein, Firunja!! FIRUNJA!! Du darfst nicht sterben!! Nein!! Nein!!" rief er verzweifelt in die Nacht. "Firunja, komm, mach die Augen auf!! Los!! Atme!! Firunja!" Tränen der Wut und der Verzweiflung liefen dem jungen Mann die Wangen herunter. "Verdammt!! Ihr Götter, wo seid ihr???!! Helft mir!! Bringt sie zurück!! Boron, Herr der Ewigkeit!! Gib sie mir zurück!!" Arlin schrie in den dunklen Himmel. Seine Fäuste schlugen nun gleichzeitig verzweifelt auf Firunjas Brustkorb. "Boron.... gib sie mir zurück!!!!" Noch einmal rief der Bornländer sein verzweifeltes Flehen gen Alveran.
Der Muskel zuckte. Er hatte einen Anstoß bekommen. Noch einmal zuckte er. Behäbig setzte sich der Blutstrom in den Adern in Bewegung und staute sich am Herzen. Dem Muskel blieb nichts anderes übrig, als das Blut einzulassen. Und es mußte weiter transportiert werden. Das Herz schlug wieder. Und nochmal! Und nochmal! Erst zaghaft, dann stärker! Unregelmäßig noch immer, aber es schlug. Wie eine Ertrinkende riß Firunja ihren Mund weit auf und zog die kühle Nachtluft hastig in ihre Lungen. Der Herzschlag wurde kräftiger, ab und zu stolperte er noch, doch er wurde immer regelmäßiger. Luft! Luft! Der geschundene Körper mußte dringend mit Luft versorgt werden. "Firunja!" stammelte Arlin erleichtert, "Firunja.... Boron hat mich erhört! Er hat mich erhört!" Die letzten Worte schrie Arlin euphorisch in die Dunkelheit. Von hinten war Drughop an den aufgelösten Novizen getreten. Sein Schlag mit der Keule gegen die Schläfe raubte Arlin das Bewußtsein. Seine letzten Gedanken waren bei den Ordensbrüdern auf Grünwarte. Würden sie seine Spur finden? In diesem Moment schlug Firunja die Augen auf und sie sah, wie ihr Gefährte,
langsam die Augen verdrehend, zur Seite kippte. Leise stöhnte sie vor Schmerz. Sofort waren zwei der Schwarzpelze bei ihr und drehten ihr die Arme auf den Rücken. Sie spürte, wie ihr dicke Lederriemen die Hand und Fußgelenke einschnürten.
"Du starke Frau, tapfere Khurkachi!" grunzte Drughop anerkennend. "Du werden Ehre haben in Khezzara zu sterben!"
Auch wenn Firunja Arlin dort am Boden liegen sah, war ihr immer noch nicht klar, was geschah..."Was machte er hier? Wo ist die Verstärkung? Was grunzt mich dieser Ork da gerade an? Oooh, brummt mir der Schädel! Golgari? Golgari! Ich war...." Doch schon zerrten die Schwarzpelze Firunja unsanft auf die Beine. Sie sah noch, wie Arlin ebenfalls gefesselt wurde. Da! Sein Brustkorb hob und senkte sich! "Was ein Glück, er lebt!" Wieder verlor sie das Bewusstsein, kaum. daß sie richtig auf den Beinen stand.

Kapitel 12a – Der Weg

Als Arlin am nächsten Morgen erwachte, hämmerte es in seinem Schädel, als wenn Ingerimm selbst in seinem Kopf schmieden würde. Ächzend versuchte er sich aufzurichten. Eine  Mannslänge von ihm entfernt lag Firunja an Händen und Füßen gefesselt im Gras. Daneben stöhnte Gorm mit geschlossenen Augen! Die linke Gesichtshälfte des Schmiedes war blutverkrustet. Doch er lebte! Unverständliche Worte murmelnd  bewegte er den Kopf hin und her. Der Bornländer sah, wie Firunja zögernd ihre Lider aufschlug. Auch sie streifte nun langsam ihr Bewußtlosigkeit ab. Sie waren an die Wurzel eines umgestürzten Baumriesen gefesselt. Die Blutungen aus Firunjas Schnittwunden waren verebbt, doch konnten sie jederzeit erneut aufbrechen.
Die Orks hatten ihnen ihr Novizengewand und Kettenhemd heruntergerissen. Zwei der Schwarzpelze trugen nun selbst zur Belustigung ihrer Stammesbrüder den grauen Wappenrock. Die Kettenhemden hatten sich zwei weitere über den pelzigen Oberkörper gestreift. Auch die Stiefel hatten die Orks vorsichtshalber an sich genommen, um einer eventuellen Flucht vorzubeugen. Ebenso steckten ihre Schwerter in den Gürteln Drughops und eines anderen Schwarzpelzes.
Neben den Novizen hockte Gruthik, an dessen Gürtel noch immer der Skalp des Köhlers hing. Überlegen grinste er die Gefangenen an, während zwischen seinen ledrigen Lippen ein Grashalm auf und niederwippte. Seine Stammesbrüder bereiteten derweil den Aufbruch vor. "He! Du!" In Arlins Stimme war ein verachtender Klang zu hören. Böse funkelten ihn die Augen Gruthiks an. "Wenn ihr uns auf eurem Marsch mitnehmen wollt, wird das meine Kameradin wohl kaum überstehen. Ihre Wunden müssen zumindest verbunden werden!" Fast wie einen Befehl hatte der Bornländer seine Worte an den Ork gerichtet. Gelangweilt erhob sich Gruthik und schlenderte zu Drughop, seinem Anführer. Nach einem kurzen Gespräch in ihrem heiseren Oloarkh kam der Schwarzpelz zurück. "Du Hemd aus!" forderte er Arlin auf, "Mädchen komm!" fuhr er fort und winkte eine der Köhlertöchter herbei. Anschließend löste er dem Bornländer die Handfesseln, während zwei seiner pelzigen Spießgesellen mit der Waffe in der Hand hinzutraten, um Arlins Bewegungen genauestens zu kontrollieren. Arlin streifte sein Hemd ab, welches ihm sofort von Gruthik aus der Hand gerissen wurde. Mit einem Grunzen warf er es dem Mädchen hin und deutete auf Firunja. Während die Köhlertochter das Hemd umständlich in Streifen riß und die schlimmsten Wunden der Novizin verband, wurden Arlins Hände wieder gefesselt. Einige Zeit später war es dann soweit. Die Lederriemen an den Füßen der Gefangenen wurden gelöst und sie verließen die Lichtung. Wieder hatten sie die Orks an den Hälsen mit groben Stricken aneinander gebunden, so daß sie hintereinander im Abstand von zwei Armlängen gehen mußten. Gorm hatten sie an den Baumstumpf gebunden zurückgelassen. Er war ihnen nichts mehr wert. Alt, geschwächt und immer noch ohne Bewußtsein wollten sie ihn ein Opfer der wilden Tiere werden lassen. Obwohl Arlin und Firunja ihre Peiniger angefleht hatten, den alten Mann während des Weges auf den Schultern tragen zu dürfen, blieben die Schwarzpelze hart und unnachgiebig. "Alte Mann sowieso sterben!" hatte Drugoph mitleidlos gegrollt. Die Wundränder seines Armstumpfes hatten über Nacht eine schwarze, brandige Farbe angenommen. Fieber verschleierte seine Augen.
In der kurzen Zeit, in der keiner der Orks in ihrer Nähe ging, hatte Arlin seiner Ordensschwester leise zugeraunt, daß Galacher ben Drou über ihre Unternehmungen informiert worden sei. Eine Holzfällerin hätte mit der Meldung sicher Grünwarte erreicht und den edlen Herrn in Kenntnis gesetzt. Daß Josmine am Abend zuvor ob ihrer schweren Verletzungen Einzug ins Borons Hallen gefunden hatte, konnte der Bornländer nicht ahnen.  Bestimmt wäre ihre Spur schon gefunden worden und Hilfe würde bald kommen.
Als Arlin ihr dies sagte, sah er ihre Augen kurz aufleuchten. Seit Firunja wieder aus der Bewußtlosigkeit erwacht war, quälten sie schwere Vorwürfe. Allein durch ihre Schuld waren sie jetzt in Gefangenschaft der Orks geraten. Sie konnte ja ihren greifenfurtschen Haß auf Orks und ihre Wut nicht beherrschen. Jetzt ist Gorm zum Sterben zurückgelassen worden und Arlin mit ihr gefangen. Bei all ihrer Abenteuerlust: Was gäbe sie darum, jetzt mit Gorm und Arlin zusammen ein schönes kühles Eslamsbräu zu geniessen. Statt dessen schritten sie gefesselt ihrem tödlichem Schicksal entgegen. Manchmal glaubte Firunja immer noch das Flügelrauschen Golgaris hören zu können!

Die Praiosscheibe senkte ihren Lauf an diesem Tag gen Efferd, als der Zug in einer felsigen Senke lagerte. Hier waren sie geschützt, dachte Drugoph, denn vom steinigen, zerklüfteten Rand des kleinen Tales, konnte ein Wachtposten die umliegende, fast unbewachsene Umgegend gut überschauen. Nur vereinzeltes Buschwerk und Sträucher, die kaum Deckung boten, wuchsen auf dem kargen Boden. "Bald werden sie kommen, Firunja, und uns befreien..." versuchte Arlin seine Gefährtin zu ermuntern, während sie von den Orks an einen rauhen Findling inmitten der Senke gebunden wurden. "Uns befreien!? Ha! Rondra steh uns bei!" Mit jedem Atemzug, den Firunja tat, hatten die Schmerzen in der Brust zugenommen. Die Verbände hatten zwar den Blutfluss mittlerweile verebben kassen, aber bei Rippenbrüchen halfen auch diese nichts! Sie wollte Arlin zulächeln, um ihm für seine aufmunternden Worte zu danken. Doch das Lächeln wurde zu einer Grimasse. Je mehr Schmerzen sie litt, desto geringer wurde die Hoffnung, die sie spüren konnte.

Kapitel 14 – Der Sammelpunkt

Es war gegen Mitternacht, als Arlin aus seinem Dahindämmern aufschrak. Die Handgelenke schmerzten ihm und ein Kribbeln hatte sich seiner Finger bemächtigt, die schon fast gefühllos waren. Er hatte Rufe gehört, die eindeutig aus orkischen Kehlen stammten. Dann sah er sie im Scheine Madas: Weitere Schwarzpelze waren zu ihrem Trupp gestossen. Es mochten sieben oder acht gewesen sein, die er zwischen den Felsen hinzu kommen sah. Auch sie führten Gefangene mit sich, die an den Hälsen aneinander gebunden in einer Reihe in die Senke geführt wurden. Es schien dies hier ein Treffpunkt zu sein, an dem sich die Orks zum Weitermarsch gesammelt hatten. Unter den Gefangenen erkannte der Sewerier allerdings nur geschwächte Kinder, Frauen und ältere Männer, die wohl wie Firunja und er selbst ein Sklavendasein im Orkland erwartete.
Nach einiger Zeit hatten die Schwarzpelze die erschöpften Menschen ebenfalls an weiter entfernt stehenden Felsen gefesselt, und das Lager war zur Ruhe gekommen. Neben sich konnte Arlin den unruhigen Atem Firunjas vernehmen. Nur ab und zu stöhnte sie im Schlaf schmerzvoll auf. Würde sie die lange Reise nach Khezzarra überhaupt durchstehen?

Kapitel 15 - Spurensuche

Durch die Schwärze des Aldehjerte konnten sie ein leises Wiehern vernehmen. Salix, Wiesenhütters Pferd wurde unruhig und schnaufte. Aber es war keine Furcht, die den Elenviner nun ebenfalls wiehern ließ. Das Pferd hatte Jallik, Arlins Fuchs gerochen. Die Reittiere standen sonst im Stall der Wacht nebeneinander, und nun freute sich Salix, seinen vierbeinigen Kumpanen getroffen zu haben. Die drei Reiter hatten den Platz erreicht, wo Firunja und der Sewerier ihre Pferde stehen gelassen hatten. In der Dunkelheit war kaum etwas zu erkennen, drang doch nur wenig von Madas Schein durch die Baumkronen bis auf den Waldboden. Vorsichtig sichernd stiegen die Männer aus den Sätteln. Nach kurzer Zeit war auch Gorms Fuhrwerk gefunden. Nur hatten sich die beiden Zugpferde selbständig gemacht und waren mit dem Leiterwagen auf eigene Faust losgezogen, obwohl die Hebelbremse angezogen war. Daher waren sie nicht weit gekommen, zumal sie das Gefährt zwischen zwei Bäumen verkeilt hatten.
Mit ihren Fackeln leuchteten die Krieger weiter die nähere Umgebung ab. Keine aufgewühlte Erde, keine Spuren eines Kampfes - Nichts!!! Und Sägemehl?? Weit gefehlt!! Kein Krümel davon! "Wollte uns dieser Arlin an der Nase herumführen und uns wilde Schauergeschichten erzählen?" bemerkte Santos grummelnd. "Wenn, dann wird er eine Tracht Prügel nach Almadaner Art kassieren, das schwör' ich!"
"Lasst uns erstmal nach der Köhlerhütte schauen, bevor du voreilige Schlüsse ziehst, Santos!" beruhigte Aiden den Krieger. "Dort soll sich ja wohl Ungeheurliches zugetragen haben, wie Radulf sagte." Auch Galacher stimmte dem Vorschlag zu.
Santos ging einige Schritte in die Richtung, in die Neunfinger gewiesen hatte und leuchtete mit seiner Fackel den Boden ab. "Hier kommen wir mit den Pferden nicht durch!" stellte er fest. "Das Unterholz ist zu dicht. Wir müssen die Gäule hier lassen!"
Behutsam schlichen die Männer durch das dunkle Buschwerk. Die Fackeln hatten sie gelöscht, man konnte ja nie wissen... Etwas später erreichten sie die kleine Lichtung, wo sich der Meiler und die Ruinen der abgebrannten Köhlerhütte düster gegen den Nachthimmel abzeichneten. Sie lauschten.... Doch war hier kein einziger Laut zu hören, außer dem Quieken eines kleinen Beutetieres, welches wohl den Fängen eine Eule nicht entkommen konnte.
Noch eine Weile verging, bis die Ordenskrieger ihre Deckung hinter Baumstämmen und Büschen verließen und sich im Bereich der ehemaligen Wohnstatt des Köhlers Wulfhelm und seiner Familie umsahen. Ihre Fackeln hatten sie nicht wieder entzündet, spendete Mada an diesem Ort doch genug Licht, um ihnen zu zeigen, daß Arlin es ernst gemeint hatte. Deutlich zeichnete sich der große Blutfleck an den Stützbalken des Meilers ab, wo die schwarpelzigen Mörder den Köhler skalpiert hatten. In dem düsteren Zwielicht konnte Santos die mit Brettern zugedeckte Leiche Wulfhelms nicht erkennen und stolperte über einen schmalen Balken, mit dem Arlin den Toten Stunden zuvor bedeckt hatte. Der Almadaner verlor das Gleichgewicht, konnte er in der Dunkelheit doch nicht erkennen, wo er mit den Füßen festen Boden finden würde. Er fiel beinahe direkt auf die Leiche, wobei einige der Bretter knirschend verrutschten. "Bei den Göttern, was ist das hier?" entfuhr es ihm entsetzt, als er sich mit der Hand aufstützen wollte und dabei den nackten Totenschädel Wulfhelms zu fassen bekam. Schnell hatte er sich aufgerappelt, während seine Ordensbrüder herbeigeeilt kamen.
"Wulfhelm!" sagte Aiden Neunfinger leise. Wohl hatte er ihn gleich an Statur und Kleidung erkannt. "Du hast recht, Aiden!" bestätigte nun auch Santos, der sich von dem Schreck erholt hatte. "Armer Kerl!" Er sah seinen Wächter und seinen Kameraden besorgt an. "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wer weiß, ob unsere Novizen nicht mittlerweile das gleiche Schicksal ereilt hat. Nur wo...", wiederholt sah sich Wiesenhütter um, "ist diese verdammte Sägemehlspur, die Arlin gelegt haben soll?"
Noch einmal schauten sich die Männer fieberhaft um, bis Galacher ben Drou die erste Fährte, die in den dichten Wald führte, gefunden hatte. Schnell deckten sie den Toten wieder mit Brettern zu und folgten der Spur. Dieses Unterfangen stellte sich nicht als allzu schwierig heraus, hatte Arlin doch alle paar Schritt eine kleine Handvoll des Sägemehls gestreut.
In den frühen Abendstunden des nächsten Tages fanden sie Gorm. Noch immer gebunden an den Baumstumpf saß er auf der Lichtung neben dem kleinen Bach. Sein Oberkörper hing in den Fesseln schlaff zur Seite. Wartete hier auf die Krieger eine Falle? Aus dem umgebenden Dickicht heraus beobachteten sie die Szene, die sich ihnen bot. Ab und an ruckte der Kopf des alten Schmiedes hoch, doch schien er nicht bei vollem Bewußtsein zu sein. Schmerzhaftes Stöhnen kam aus seinem Mund, wenn er sich bewegte.
Santos deutete seinen Ordensbrüdern mit Handbewegungen an, daß er sich vorsichtig um die Lichtung herumschleichen wolle. Galacher nickte bestätigend und tat es ihm gleich, nur wollte er die Lichtung in der anderen Richtung umgehen. Aiden sollte hier still verharren und auf sie warten.
Schon nach kurzer Zeit kamen die beiden zu Aiden zurück. Keine Gefahr! Trotzdem betraten sie sicherheitshalber den offenen Platz mit gezogenen Schwertern. Mißtrauisch beobachteten sie die Waldränder.
Gorm war vollkommen entkräftet. Wie ein schlaffer Sack fiel er Aiden in die Arme, als Santos die Fesseln des Schmiedes durchschnitt. Seine Stirn war heiß und am Hinterkopf prangte eine klaffende Wunde, verschmiert mit geronnenem Blut. Der Krieger Neunfinger erhielt den Befehl, hier bei Gorm zu bleiben, bis die Verstärkung ihren Weg hierher gefunden hatte. Er sollte in der Zeit eine provisorische Trage aus Bruchholz bauen, auf der Gorm dann vorerst bis zu seinem Fuhrwerk transportiert werden sollte. Galacher und Santos würden den Spuren der Orks mit ihren Gefangenen folgen, die sich von hier aus deutlich im weichen Waldboden abzeichneten.
Aiden tat wie ihm befohlen wurde, während sich der Wächter und Wiesenhütter am nächsten Morgen an die Fährte des Feindes und seiner Beute heften wollten. Heute würde es im dunklen Aldehjerte keinen Zweck mehr haben.

Kapitel 16 – Die Felsensenke

Unter dem Licht des Praiosschildes war es ihnen während des nächsten Tag ein Leichtes den Spuren zu folgen. Gegen Abend hatte sich die Umgebung geändert. Sie hatten sich weiter dem Finsterkamm genähert und der Waldboden war immer mehr steinigem Untergrund und Felsen gewichen, je höher sie kamen. Auch waren die Bäume zurückgewichen und hatten einem Bodenbewuchs von Buschgruppen und Gesträuch den Platz abgetreten. Unter einer vorspringenden Felsnase hatten Galacher und Santos ein Lager für die Nacht gefunden. Sie schliefen abwechselnd, um vor hinterhältigen Überraschungen so gut es ging gefeit zu sein. Als der Morgen nahte und Phexens Sternenzelt einem rötlichen Schimmer am rahjawärtigen Himmel wich, bemerkte Santos hangaufwärts in der Ferne eine dünne Rauchsäule, die ihren Ursprung in einer Schlucht oder einem Tal haben mußte. Sofort weckte er Galacher ben Drou.
Unter Ausnutzung jeglicher Deckung, wie größere Findlinge, Felsengruppen und verkrüppeltem Buschwerk, tasteten sich die Krieger mit gezücktem Schwert vorsichtig an die Felsensenke heran, in der die Orks mit ihren Gefangenen gelagert hatten. Noch war die Dunkelheit nicht ganz gewichen, so daß das morgendliche Zwielicht ihr Verbündeter war. Eine Ironie des Schicksals, hatten Santos und Galacher nur einige hundert Schritt entfernt die Nacht verbracht, doch konnten die beiden den Feuerschein des Orklagers in der Finsternis nicht erkannt haben, war er doch von den felsigen Rändern der Senke verborgen worden. Erst bei Helligkeit konnte man schon von weitem der schwarzen, dünnen Rauchsäule gewahr werden.
Versteckt hinter kargem Gestrüpp erkannten sie diesseits des kleinen Tales einen Schwarzpelz, an dessen Gürtel ein haariger Skalp hing. Sie waren bis auf etwa zwölf Schritt herangekommen.

Kapitel 17 – Die Krieger

Mißmutig und gelangweilt streiften Gruthiks Blicke über die dunklen Wälder des Finsterkamms, die weit am westlichen Horizont aus dem morgendlichen Dunst stiegen. Noch hatte er Galacher und Santos nicht bemerkt, schien er doch mit der Müdigkeit zu kämpfen.
Während Santos auf der offenen Fläche nach Möglichkeiten suchte, näher an den Schwarzpelz heranzukommen, bemerkte er aus der Richtung ihres eigenen Nachtlager eine Bewegung. Er stieß seinen Vorgesetzten an und nickte dorthin, wo nun die Gestalt Vilia Adachis deutlich erkennbar wurde. Doch nicht nur die Kriegerin schlich den Hang herauf, noch einige mehr ihrer Ordensgeschwister waren dort auszumachen. Wahrscheinlich hatten sie den Schwarzpelz noch nicht bemerkt, der am Rand der Felsensenke auf Wache stand. Würden sie weiter heraufkommen, wäre es möglich von Gruthik entdeckt zu werden.
Demonstrativ legte Santos seine Hand an seinen Dolch, den er auch zu werfen verstand. Fragend sah er zuerst Galacher in die Augen, dann wanderte sein Blick zu dem Wache stehenden Ork. Vorsichtig hob der Wächter die Hand, um Santos zu zeigen, daß er sich noch einen Moment gedulden sollte. Er blickte zu der Kriegerin Adachi, die noch zwei weitere Ordensgeschwister mitgebracht hatte. Verbittert stellte Galacher fest, daß es einfach nicht mehr Leute in Grünwarte gab. So wie er es jetzt sah, waren außer der Weibelin Taninia und dem Knappen Reto Lassan keine weiteren Ordensleute zurückgeblieben. Entweder waren sie hier, an anderen Orten im Einsatz, oder tot....
Der Wächter schlich zu ihnen hinab und flüsterte den anderen zu: "Die Schwarzpelze haben hier ihr Nachtlager! Unsere Novizen müssen da unten irgendwo sein. Laßt uns hoffen, daß sie nur gefangen wurden und nicht getötet worden sind. Wir müssen hart und schnell zuschlagen. Sobald Santos die Wache ausgeschaltet hat, bewegen wir uns so leise wie möglich auf das feindliche Lager zu. Adachi, ihr bleibt mit unserem Adeptus Löwenzahn etwas zurück und bildet die Nachhut. Haltet uns den Rücken frei. Masato, du wirst dich vorschleichen und das Lager auskundschaften, sobald wir wissen, wo sich die beiden anderen befinden, greifen wir sie uns..."

Kapitel 18 – Die Befreiung

Mit einem Nicken deutete er Santos an, daß es nun losging. Der Windreiter blickte vorsichtig zu dem Ork hinüber, der anscheinend noch nichts bemerkt hatte und immer noch mit dem Schlaf zu kämpfen hatte. Einen Augenblick später, mußte er sich nie wieder darum Gedanken machen. Der Dolch schlug in seinen Rücken ein schickte ihn in den ewigen Schlaf. Alles geschah recht schnell und ohne größere Geräusche. Masato schlich vorwärts und bewegte sich auf die Büsche zu. Nach einem kurzen Augenblick kam er wieder zurück und erstattete leise Bericht: "Edler Herr, wir haben Glück. Die beiden sind gefangen worden. Sie sitzen gefesselt und geknebelt im Lager. Sie werden von einem Ork bewacht, der aber so aussieht, als ob er gleich einschlafen würde. Ich konnte es nicht genau abschätzen, doch denke ich, daß es sich um mehr als ein Dutzend Schwarzpelze handelt. Unsere Leute sitzen in der Nähe von mehreren Büschen. Ich könnte mich dort hinschleichen und versuchen sie zu befreien..."
Galacher schaute den Mann einen Moment an, überlegte kurz und meinte dann: "Geh nicht allein! Santos wird dich begleiten. Ihr beide seid wesentlich leiser als ich. Sollte etwas schief gehen, werden wir drei von hier aus losschlagen und für eine Ablenkung sorgen. Sollte alles gut verlaufen, treffen wir uns wieder hier."
Die beiden Männer schlichen sich unter der Beobachtung des Wächters leise von Gebüsch zu Gebüsch. Im Lager schien die Mehrheit zu schlafen, auch wenn der eine oder andere langsam anfing, die Müdigkeit abzuschütteln und wach zu werden.
Firunia und Arlin fuhren erschrocken zusammen, doch konnten sie sich schnell wieder beherrschen. Sie konnten ihr Glück ja kaum fassen. Man hatte sie gefunden! Masato schnitt der Frau die Fesseln los und Santos dem jungen Mann.
In dem Augenblick als die letzen Fesseln durchtrennt wurden, hörten sie ein: "WAS DAS???? Die gehen wollen weg! HE, DIE WOLLEN GEHEN WEG!!!!!" Die Wache hatte sie entdeckt und durch den Ruf erwachte das Lager schlagartig zum Leben....

Kapitel 19 - Angriff

Zuerst wußte Arlin nicht, was hier geschah, als er plötzlich seine Beine und Arme wieder frei bewegen konnte. Wer, bei Rondra....? Doch als er seinen Kopf wendete und im ersten Licht des Tages in Santos' grinsendes Schnauzbartgesicht sah, wußte er, daß sie da waren! Im Lager waren sich die überraschten Orks schnell aufgesprungen und nur Augenblicke später hatten sie ihre Waffen zwischen den ledernen Fingern.
Noch während er aufstand, erkannte Arlin Masato Falkenberg, der Firunja von ihren Fesseln befreit hatte. Doch viel Zeit zum Orientieren blieb dem Novizen nicht. Schon stürmte die Orkwache mit drei weiteren Feinden Arbach schwingend und mit grellem Kriegsgeschrei auf sie zu. Arlin hatte den Waffen nichts entgegenzusetzen und versuchte, sich mit seinen immer noch fast tauben Gliedern unter dem Hieb wegzurollen, doch fühlte er mit dem Fuß nicht den Stein, über den er stolperte und somit dem schreienden Ork direkt vor die Füße fiel. In diesem Augenblick erwartete er nur noch den Todesstoß des Angreifers, der ihn in Borons Hallen schicken würde. Doch einer hatte ihn davor im letzten Moment bewahrt...
Santos hatte die Situation blitzschnell erfaßt und sprang mit einem mächtigen Satz über den am Boden liegenden Novizen hinweg. Noch bevor seine Stiefel den Boden berührt hatten, war er dem anstürmenden Ork mit seinem Schwert in den Hieb gefallen. Durch die Wucht des Schlages wurde dem Angreifer die Waffe aus der Hand geschlagen und wirbelte durch die Luft. Mit einem Scheppern fiel sie in Firunjas Nähe auf den felsigen Boden. Der nun waffenlose Ork war derart überrascht, daß er nicht mehr dazu kam, seinen rostigen Dolch zu ziehen. Mit vor Wut und Angst verzerrten Lippen sackte er von Santos' Stich tödlich getroffen in die Knie und kippte langsam vornüber, die Hände noch immer um den Griff des rostigen Dolches verkrampft.
Santos Wiesenhütter
Noch bevor die schwarzen Augen des Orks für immer brachen, hatte ihm Arlin die kurze Waffe aus der Hand gerissen, um sich damit, zwar nur dürftig bewaffnet, den Schlägen und Hieben der angreifenden Schwarzpelze zu erwehren. Immer noch besser, als mit den bloßen Händen gegen Gruufhai und Arbach zu bestehen.
Neben ihm erkannte er aus den Augenwinkeln, wie sich Korporal Falkenberg gegen zwei der Angreifer tapfer zur Wehr setzte. Bei den Übungskämpfen auf der Wacht hatte er schon den außergewöhnlichen Kampfstil des Korporals bewundert, aber was seine Schwertkünste im ernsthaften Kampf zeigten, war über alle Maßen. Wie ein Wirbelwind fegte seine Klinge gegen die wütenden Hiebe der Schwarzpelze. Er schien beinahe wie eine Sharisad zu tänzeln und dabei fintete er geschickt, um sich in eine bessere Position zu bringen. Da! Masato hatte sich etwas Luft verschafft und setzte einen kräftigen und gezielten Hieb gegen die Leibesmitte eines seiner Gegner, der sofort blutspuckend und mit einem Gurgeln zusammenbrach. Als sein pelziger Kumpan erfaßte, daß sein Mitkämpfer vom Brustbein an abwärts aufgeschlitzt seine Seele Tairach empfahl, wurden seine Schläge zögerlicher, ängstlicher. Was war das für eine Glatthaut, die es mit Zweien der mutigsten seiner Sippe auf einmal aufnehmen konnte?

Der Blick Arlins glitt die felsigen Wände des kleinen Tales hinauf. Hatte er vor der aufgehenden Sonne die Gestalt seines Wächters erkannt? Er hörte den Mann dort Befehle rufen. Ja, es stimmte! Es war die Stimme von Galacher ben Drou!!! Blitzschnell schoß Arlin ein Teil des Schwurs der Ordenskrieger durch den Kopf: "Einer für alle, alle für einen!" Hier fanden die Worte ihre Bestätigung!  Hinter sich hörte der Bornländer ein wütendes Brüllen. Mit erhobenem Gruufhai wollte ihn ein Ork auf eine kleine, abschüssige Geröllhalde drängen. Der Kampf ging weiter....
Firunja sah die Waffe vor ihren Füßen liegen. Sollte es wahr sein? Frei und dann auch noch mit einer Waffe den widerlichen Orks gegenüber stehen zu können?! Sie sah Masatos Kampf, der einem Tanz glich... Santos wie er den Ork in seine Hölle schickte... All das Blut überall....
Galacher hörte den Ruf des Orks und fluchte innerlich. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Er blickte kurz zu Villia Adachi und zu dem Magier Löwenzahn, "Deckt Euch gegenseitig! Wir müssen uns zu den anderen vorkämpfen. Folgt mir!" Mit diesen Worten sprang er dann auf und zog sein Bastardschwert aus der Scheide. Zu Schade, daß er sein Palios nicht dabei hatte. Wie ein wilder Eber durchbrach er die Büsche und lief auf eine Gruppe von drei Orks zu, die allem Anschein nach verwirrt in die Richtung der anderen blickten. Als der Wächter nun mit dem Namen der Göttin auf den Lippen auf sie zustürmte, richteten sie gleichzeitig ihren Blick auf ihn. In ihren Augen konnte er erkennen, wie erschrocken sie für einen Moment waren.
Da hörte auch Firunja die Stimme von Galacher ben Drou. Eine Entschlossenheit und Kraft durchströmte sie, von der sie nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Und da sah sie, wie Arlin, nur mit einem rostigen Dolch bewaffnet einen Ork abzuwehren versuchte. "Allein ist er zum Scheitern verurteilt" - mit diesen Gedanken und "...alle für einen" stürmte sie schreiend auf Arlin und den stinkenden Ork zu. "FÜR RONDRA!!!"
Hinter sich konnte Galacher den Magister Minor hören, wie er etwas murmelte. Mehr als ein "Blitz dich find" konnte er nicht verstehen. Vielleicht hatte er aber auch nicht mehr gesagt. Er überbrückte die letzen Schritte bis zum Feind und machte sich kampfbereit. Kurz bevor er auf den ersten Schwarzpelz traf, konnte er sehen, wie ein anderer aus der Dreierrunde sich die Augen hielt. Irgendwie schienen sie zu leuchten. Sein Gegner hatte sich von dem Schrecken erholt und brüllte ihn an. Er hielt ein verrostetes Breitschwert in seinen Händen und führte den ersten Schlag. Noch durch die Überraschung, lenkte der Schwarzpelz den Hieb ungelenk in Richtung des Wächters Hüfte. Galacher hatte keine große Mühe diesen Schlag zu parieren. Die Wucht, mit der er den Angriff zurückschlug, überraschte den Ork ein weiteres Mal. Der Mensch vor ihm schien unglaubliche Kraft in sich zu tragen. Der Ordensmann setzte nun selbst eine Attacke an, die auf das Bein des Feindes zielte. Im letzen Moment konnte dieser sein Bein noch zurückziehen und taumelte ein paar Schritte zurück. Galacher setze einen Angriff nach dem anderen an und er merkte recht schnell, daß zumindest dieser Gegner nicht sein Ende werden würde. Nach einer weiteren Attackenserie, bei der er mehrere Finten ansetze, nur um an einer anderen Stelle zuzustoßen, bot sich ihm dann schließlich die Lücke auf die er hingearbeitet hatte. Ben Drou hatte wieder einen Schlag gegen das Bein seines Gegenübers angetäuscht. Diesmal fiel dieser auf die Täuschung herein. Blitzschnell änderte der Mensch die Richtung seines Schwertes, daß dann plötzlich tief in der Seite des Orks versenkt wurde. In dem gebrochenem Blick des Orkens konnte Galacher erkennen, daß dessen Zeit vorüber war. Nachdem sein Feind besiegt worden war, schaute er sich nach seinen Gefährten um. Adachi und Löwenzahn standen dicht beieinander. Ein Feind lag reglos zu ihren Füßen und der andere erlitt eben einen Schlag gegen die Schläfe und war im Beginn zusammenzubrechen; seine Augen leuchteten immer noch. Alles unter Kontrolle! Sein Blick schweifte auf die andere Seite des Lagers zu dem Kampf, den seine Ordensgeschwister dort führten. Sein lauter Ruf hallte durch das Lager: "Kommt wir müssen den anderen helfen. SAMMELN!!!" Mit diesen Worten rannte er zu der Stelle, wo die beiden Novizen befreit worden waren und sie sich mit Masato und Santos ihrer Haut erwehren mußten. Dicht gefolgt von Adachi und dem Magier näherte er sich dem Kampfgeschehen. Auf dem Weg dorthin streckte er im Vorbeilaufen noch zwei Schwarzpelze nieder, die es gewagt hatten, sich ihm zu nähern.....
Es war nicht einfach für Arlin das Gleichgewicht auf den immer wieder  nachrutschenden Kieseln zu halten. Nur noch wenige Augenblicke, dann würde der Ork bei ihm sein. Immer wieder versuchte der Sewerier die Balance zu halten. Da fuhr auch schon der kreisförmige Schlag auf ihn nieder. Arlin hatte sich einfach fallen gelassen und hielt der Wucht des Schlages in höchster Not den Dolch entgegen, um ihn abzulenken. Nur um Haaresbreite pfiff der Gruufhai am Kopf des Novizen vorbei, doch war die Klinge seiner Waffe abgebrochen. Einem weiteren Schlag, der sicher bald folgen würde, hatte Arlin nichts entgegenzusetzen. Doch hatte er in diesem Moment nicht Firunja aus den Augenwinkeln entdeckt, die zwar mit schmerzverzerrtem Gesicht, aber mit Zorn in den Augen den Namen der Herrin gerufen hatte? Schon hatte der wütende Schwarzpelz aus der Bewegung heraus zum nächsten Hieb ausgeholt, da stürmte die Novizin heran....


Kapitel 20 – Rondras Zorn

Die Schmerzen in der Brust waren vergessen. Der Zorn verschaffte Firunja genug Atem um dem Schwarzpelz das Schwert - zwar nicht gezielt- aber mit ungeheurer Kraft, längs seiner ganzen Seite zu ziehen. Firunja steckte ihren ganzen Zorn in diesen Schlag und dieser Wucht konnte weder der Schwarzpelz noch das rostige Schwert widerstehen. Sie war so schnell, daß der Ork sie nicht bemerkt hatte und nun mit brechendem Blick in die Knie ging, seine Schulter zertrümmert und der Oberkörper mit einer neuen Öffnung versehen. Mit dem an der Spitze abgebrochenen Schwert winkte Firunja Arlin zu sich. Gemeinsam, Schulter an Schulter, auf festem Boden sollten sie sich der Schwarzpelze erwehren können....
Rondra sei Dank!
Firunja hatte Arlin mit ihrem mutigen Eingreifen vor dem  sicheren Tod bewahrt! Schnell war er wieder auf den Beinen und stellte sich an ihre Seite. "Die Herrin muß mit uns gewesen sein, Firunja. Ich hatte schon mit allem abgeschlossen." keuchte er atemlos nach allen Seiten sichernd. "Ich werde dir das nie..." Doch weiter kam er nicht, wurden beide Novizen doch wieder sofort von Zweien der Schwarzpelze berannt. Wuchtig schwangen sie ihre klobigen Kriegshämmer, doch nur Firunja hatte eine Waffe.
Drughop wußte, daß der Kampf aussichtslos war! Viel zu schnell waren sie von den Glatthäuten überrumpelt worden. Einer in ihren Reihen schien eine Art Schamane zu sein, hatte er doch mit den Armen gestikuliert und merkwürdige Worte ausgerufen, als er sich SEINEM Opfer genähert hatte. Jawoll! SEIN Opfer war es, das er Tairach bringen wollte. Und nun war alles verloren! Die Frau der Glatthäute war befreit worden und stand mit einer Waffe in der Hand gegen ihn und seine Gefolgsleute. Wenn er schon in diesem Kampf sterben würde, so sollte die Frau, SEIN Opfer, mit ihm gemeinsam vor Tairach treten.
Wut, Haß und vor allem der Schmerz in seinem Armstumpf ließ ihn diesen letzten Weg gehen, als er sich brüllend auf Firunja stürzte. Nur noch dies hatte er sich auferlegt, er mußte es tun, er mußte SEIN Opfer Tairach bringen!! Einen unbändigen Willen zum Töten konnte die Novizin in den blutunterlaufenen Augen ihres Peinigers erkennen, dessen Gruufhai ihren Kopf zerschmettern wollte.

 

Kapitel 21 – Adeptus Minor Löwenzahn

Der dickliche Magier konnte mit den voranstürmenden Kriegern nicht ganz Schritt halten, und so fiel er erst immer und immer weiter zurück.. Schließlich jedoch hörte Adachi irgend etwas wie '...xxeleratus....' und plötzlich schoß Löwenzahn an dem verdutzten Krieger vorbei, immer auf die beiden Novizen zuhaltend. Dabei fing der Magier an zu schnaufen wie ein kochender Wasserkessel. Krampfhaft versuchte sich der junge Adept an die Formel zu erinnern, die ihn der Edle Herr Taubenstein einst gelehrt hatte. Doch wenn er versagen würde, wenn er auch nur für einen kurzen Augenblick die Kontrolle über seine Konzentration verlieren würde, dann würde Firunja... Ach er durfte gar nicht daran denken..... Bis auf sieben Schritt mußte er an sie heran kommen, Sieben Schritte..... 'Oh Junge, du mußt dich konzentrieren' schalt er sich immer wieder selbst...
"Revidum... Nein.... Rahjasum.... Nein auch nicht...."  Löwenzahn keuchte mittlerweile so sehr, wie Firunja durch ihre Verletzungen.. "JETZT ICH HABE ES! Reversalis Revidum, Zauber kehre Dich nun um!"
Tarion hantierte etwas umständlich mit seinen Händen, bis er schließlich die von allen gefürchtete geballte Faust zur Schulter und gen Firunja streckte.... "Liepf nie eiw etöt dnu ffirt, liekrennod sutcinimluf!" Dann brach er, noch im Laufen völlig entkräftet zusammen......
Firunja dagegen fühlte sich im selben Moment völlig bei Kräften. Und auch wirklich, einen kurzen Blick auf sich herabschauend, konnte sie keine Wunde mehr erkennen und keinen Schmerz mehr fühlen. Zwei der Orks, die ihr gegenüber standen, sahen das ebenfalls. Sie schauten sich nur kurz gegenseitig an, warfen ihre Säbel auf den steinigen Boden und rannten immer wieder 'Mamrekh‘ (einzige weibliche Götin der Orks:-) rufend davon. Andere Orks dagegen drangen mit verstärkter Härte gegen die Novizen vor, dabei immer wieder ihren Schlachtruf  'AI KATTACH - keine Gefangenen' brüllend.....

Kapitel 22 – Der Sewerier

Arlin war seinem Angreifer indessen entgegengerannt. Womit hätte er ihn auch bekämpfen sollen? Im letzten Augenblick wich der Sewerier dem anstürmenden Schwarzpelz aus und brachte ihn mit einem kräftigen Tritt gegen die Schienbeine zum Stolpern. Der Ork verlor das Gleichgewicht und schlug der Länge nach hin. Blitzschnell setzte ihm Arlin nach und sprang auf den pelzigen Rücken des Gegners. Mit beiden Händen griff er in das Kopffell des Orks und schlug ihn mit ganzer Kraft auf den felsigen Untergrund. Dann riß er den Kopf wieder hoch und erneut knallte der Schädel des Widersachers auf den Stein. Obwohl aus Nase und Mund das Blut schoß, versuchte der Ork Arlin mit einer Drehung abzuschütteln. Der Novize konnte der animalischen Kraft seines Feindes kaum etwas entgegensetzen, doch nutzte er beim Abrollen die Gelegenheit, dem Schwarzpelz seinen orkischen Kriegshammer zu entreißen, als sich dieser auf beiden Händen hochstemmte. Gerade kam er wieder zum Stehen, als Arlin ihm, den Gruufhai in beiden Händen, mit einem wuchtigen Schlag zwischen die Schulterblätter zu Boden streckte. Der Schwarzpelz vernahm in seinem Rücken nur einen irrsinnigen Schmerz, begleitet von einem gleichzeitigen Knacken. Danach spürte er seinen Körper nicht mehr. Als der Sewerier erkannte, daß sein Gegner reglos liegenblieb, ließ er von ihm ab. Von diesem Ork konnten keine Angriffe mehr erwartet werden...
Arlin wandte sich schnell herum, um dem nächsten Feind die Stirn bieten zu können. Überall wurde gekämpft. Santos war am Bein verwundet worden, doch schien er die Schmerzen zu ignorieren. Mit hämischem Grinsen wich der Almadaner Schlag für Schlag den Angriffen seines Gegners aus, um im richtigen Moment sein Schwert durch den ungedeckten Leib des Schwarzpelzes zu treiben. Mit einem Gurgeln brach dieser in die Knie.
Masato Falkenberg hatte seinen zweiten Gegner niedergerungen und vom anderen Ende der Senke stürmte Galacher ben Drou mit blutigem Schwert heran. Dort schien sein Wächter alles unter Kontrolle zu haben. Dicht dahinter kam die Kriegerin Adachi gelaufen. Dazwischen blickten ängstlich die Gefangenen zu ihren Befreiern. Einige Schritte weiter hinten keuchte der junge Tarion Löwenzahn durch die Felsen. Arlin vernahm unter dem Kampfgeschrei, daß der dickliche Adept irgend etwas durch das Waffenklirren rief. Doch konnte er diese unverständlichen Rufe nicht deuten. Doch dann ließ ihn Drughops Kampfschrei den Kopf herumreißen. Seine Gefährtin stand dem kräftigen Ork in diesem Augenblick allein gegenüber, doch schien sie plötzlich schnell und gefährlich wie eine Raubkatze zu sein. Was war mit ihrem geschundenen Körper, ihren Schmerzen, den gebrochenen Rippen...? Diese sechs oder sieben Schritte bis zu ihr waren leicht zu überbrücken. Arlin lief los...
Sollte dieser Pelzwärmer nur kommen. Mit der Kraft war auch ihr Siegeswille zurückgekommen, fast wie bei einem Übungskampf... Sie vergewisserte sich, daß Arlin in Ordnung war und deutete ihm, daß er sich zu Löwenzahn bewegen sollten. Der Magier war schutzlos, dort am Boden liegend. Da waren auch schon Drughop heran. Sie mußte sich ganz auf den Schwarzpelz konzentrieren. Der Ork schien außer sich vor Haß und Wut. Aber noch ein -zwei weitere Hiebe auf seine ungeschützten Oberschenkel und er solle mal sehen, was es heißt, mit einer gestärkten Ordensnovizin zu kämpfen. Die Neue Kraft, der Mut, den die anwesenden Kameraden verliehen, erlaubten ihr, sogar mit einer abgebrochenen Waffe gefährlich zu sein...

Kapitel 23 – Schulter an Schulter

Arlin sah in den Augen Firunjas, daß sie sich Drughop alleine stellen wollte. Er verstand ihr stummes Zeichen und wandte sich in Richtung des Magiers. Ein kräftiger Schlag auf die Schulter ließ ihn herumfahren. Santos!  "Komm Junge, wir müssen den Dicken raushauen!" rief er dem Novizen im  Vorbeilaufen zu. Arlin folgte dem Krieger, so schnell es seine Beine zuließen, nicht ohne daß er sich immer wieder kurz zu seiner Kampfgefärtin umsah, die dem massigen Körper des Orks lauernd gegenüberstand.
Augenblicke später hatten sie Tarion erreicht. Während Arlin dem schwergewichtigen Adepten auf die Beine half, hielt ihnen Santos mit wirbelnder Klinge zwei Schwarzpelze vom Leib. Doch auch der Almadaner war vom Kampf gezeichnet. Seine Wunde am Bein schmerzte und die Kräfte drohten zu erlahmen. "Wenn ihr beide miteinander fertig seid," keuchte er atemlos, "wäre es ganz angebracht, wenn mir hier mal einer helfen würde...."
Arlin sah, daß der junge Magier wieder bei Kräften war, obwohl er noch immer  nach Luft japste. Nur Augenblicke später stand der Novize an der Seite des Kriegers. Ein zuversichtliches Blitzen war in den Augen Santos' zu sehen, als er neben sich den jungen Mann kämpfen sah. "Na dann wollen wir diesen elenden Stinkern mal zeigen, was es heißt, sich Ordenskriegern von Grünwarte entgegenzustellen. Los, Arlin! Heiliger Zorn, Gerechter Zorn!!" rief er aus, und die Schläge und Hiebe der beiden prasselten auf die zurückweichenden Schwarzpelze wie ein Sturmgewitter nieder. Nur kurze Zeit später lagen zwei weiter Orks in ihrem Blute. Arlin und Santos sahen sich um. Der Kampfeslärm hatte aufgehört. Sofort suchte Arlin mit den Augen wieder seine Gefährtin. Die Schwarzpelze waren niedergerungen, tot oder kampfunfähig. Nur zwei hatten die Schwerthiebe der Ordenskrieger lebend überstanden, von denen einer, ob der Schwere seiner Verletzungen, in Kürze vor Tairach stehen würde. Der andere lag mit zerschmettertem Rückgrat reglos zwischen den Felsen.
Nein, noch ein Dritter war am Leben geblieben. Drughop!!! Er schwankte zwar und sein schmutzigbraunes Fell sog an einigen Stellen sein Blut auf, doch noch stand er Firunja haßerfüllt gegenüber. Die Novizin war ebenfalls vom Kampfe gezeichnet. Sie keuchte vor Anstrengung, war sie doch oft mit geradezu akrobatischer Behendigkeit dem Kreisen des todbringendem Kriegshammers des Orks ausgewichen. Einmal hatte er sie an der Hüfte getroffen und Firunja war durch die Wucht von den Beinen geholt worden, doch mit einem flinken Wegrollen war sie dem nächsten Hieb noch knapp entronnen. Sofort stand sie wieder auf den Beinen. Die Schmerzen aus der blutenden Wunde an der Hüfte schien sie zu ignorieren.
Schon wollte sich Santos aufmachen, um der jungen Novizin zu helfen, da hielt ihn Arlin am Arm fest und schaute dem Almadaner tief in die Augen. "Nein, Krieger Wiesenhütter, lasst sie!" sagte er mit ruhiger Stimme. "Er hatte sie fast totgeschlagen und ist ihr noch etwas schuldig! Das ist allein ihr Kampf!"

Kapitel 24 – Firunjas Kampf

Oh, ja. Dieser Ork gehörte ihr!!!!!
Ihr Spiel, was sie mit ihm spielen wollte, gelang nicht. Seine Wut war dermaßen stark, daß er seinen verloren Arm gar nicht benötigte. Firunja mußte sich gut verteidigen. Und sie mußte gut ausweichen! Manchmal hieb der Schwarzpelz mit solch einer Wucht zu, daß an Abwehr gar nicht zu denken war. Wie leicht war das doch immer im Training gewesen. Wenn die Hiebe wohlüberlegt und gezielt und darum auch berechenbar geschlagen wurden. Doch dieser Ork war nicht berechenbar und seine teils offene Deckung konnte Firunja bis jetzt noch nicht für einen tödlichen Streich nutzen. Doch Firunja rief sich ins Firunja von BärentrutzGedächtnis wer sie noch war außer einer Greifenfurterin: Eine Kämpferin im Namen des Heiligen Zorns der Göttin. Diesen Zorn befahl sie nun in ihren Körper. Er durchflutete sie, machte ihren Kopf klarer und ihren Arm stärker. Ihre Beine hatten die ungehemmte Kraft, sie flink vom Boden wieder aufstehen zu lassen, wo der wuchtige Hieb an die Hüfte sie hingeschleudert hatte. Und sie sah mit einer Deutlichkeit ihre Chance Drughop zu vernichten. Er holte Schwung mit dem Hammer, hoffte sie jetzt endgültig zu Boden schicken zu können, doch sie nutzte ihren Schwung vom Aufstehen und verwandelte ihn weiter in einen Sprung nach vorne. Direkt gegen den ungeschützten Bauch des Schwarzpelz unter seinem Hammer hindurch.
Drughop ließ seinen Hammer krachend zu Boden fahren, doch er traf nur noch Stein. Firunja war nah an ihn heran gesprungen, ihr gebrochenes Schwert hatte sie mit aller Kraft und Schwung durch sein Lederwams, sein Fell in seinen Bauch gestoßen!!!
Sie roch seinen faulen Atem, spürte wie sein Arm den Hammer fallen ließ und sah die ungläubig aufgerissenen Augen brechen. Drughop kippte nach hinten und Firunja fiel auf ihn. Ihr Schwung hatte sie beide umgerissen. Auch sie war erstaunt. Erstaunt, daß Entschlossenheit und Mut selbst einen haßerfüllten Ork in die Knie und noch tiefer zwangen. Dieses Erstaunen wich langsam einem Lächeln, denn sie sah ihre Gefährten, alle noch am Leben und die Orks besiegt!!

Kapitel 25 – Der Schrei des letzten Ork

Galacher streckte noch einen heranstürmenden Ork nieder. Es war lange her, daß er einen Kampf bestritten hatte und er fühlte sich noch ungelenk. Er hatte das Gefühl, wirklich langsam einzurosten. Dennoch war das Gefühl, das er immer im Kampf verspürte, nicht zu verachten. Dieses Rauschen in den Ohren und die Ungewissheit, ob man den morgigen Tag noch erleben würde. Er schaute sich um, und es war kein Gegner mehr zu sehen. Seine Leute schienen die Lage unter Kontrolle zu haben. Firunja hatte noch bis zuletzt in einem kräftezehrenden, blutigem Kampf gestanden und den letzten Feind besiegt. Ein schneller Blick zu jeden einzelnen zeigte ihm, daß es allen bis auf ein paar kleinere Wunden gut ging. Er ließ den anderen einen Moment Zeit, ihre Freude zu genießen, nur um dann schroff Befehle zu erteilen.
Langsam und vorsichtig stand Firunja auf, denn mit dem Sieg kamen auch die Schmerzen in der Hüfte. Freudig humpelte sie auf Arlin zu, um ihn in die Arme zu schließen und ihn sogleich an ein kühles Eslambräu zu erinnern. Auch der Magier hatte sich eines verdient, und alle anderen mit, solch einen Sieg und solche Kameraden muß man doch feiern!
"Das haben wir uns wohl redlich verdient!" bestätigte Arlin, als ihn Firunja an das versprochene Bier erinnerte. "Doch so..." der Sewerier blickte an sich und  seiner Ordensschwester hinunter, "wird man uns im 'Axthieb' wohl fragen, ob der Orden noch nicht einmal in der Lage ist, seine Novizen mit ordentlichem Schuhwerk auszustatten." Beide mußten bei der Vorstellung grinsen, wenn sie barfüßig, wie sie immer noch waren, den Wirt der Grensachter Schenke um ein kühles Eslamsbräu bitten würden.
"Genug jetzt!" rief Galacher ben Drou. "Ihr könnt euch später noch freuen am Leben zu sein! Masato, Santos schaut euch um, ob die Gefahr bereinigt ist, oder ob es noch den einen oder anderen Schwarzpelz hier noch gibt. Ich möchte keine Überraschung erleben! Arlin, seht euch im Lager um! Durchsucht es, vielleicht könnt ihr einen Anhaltspunkt finden, woher sie kamen. Es wäre interessant, dieses zu erfahren. Vielleicht ist dies ein größeres Problem und die Baronin muß unter Umständen verständigt werden. Magister, kümmert euch um die Verletzungen der Novizin! Firunja, ich erwarte bei unserer Rückkehr einen genauen Bericht, wie sich die Sache zugetragen hat! Ich werde dann sehen, ob es dann nötig sein wird, den Novizen persönlich in den Hintern zu treten oder mich mit ihnen zu freuen, daß sie am Leben sind. Und jetzt flott an die Arbeit!"
So machten sie sich daran, eiligst nach ihren Sachen zu suchen, die ihnen von den Schwarzpelzen vor einigen Tagen fortgenommen worden waren. Die Kettenhemden und ihre grauen Wappenröcke waren schnell gefunden, wobei Arlins Ordensrock nur noch in Fetzen an einem von Santos getötetem Ork hingen. "Beim nächstem Mal werde ich meine Treffer besser zu plazieren versuchen!" grinste der Almadaner den Novizen entschuldigend an, der die blutverschmierten Rockreste schulterzuckend vor sich hielt.
Fast in gleichen Augenblick rief Korporal Falkenberg hinter ihnen, der die  Stiefel der Novizen gefunden hatte und sie wie eine eroberte Trophäe in der Luft
schwenkte. Notdürftig wurden die Wunden der verletzten Ordenskrieger versorgt und sie bereiteten sich auf den Abmarsch vor. Die gefangenen Frauen, Kinder und die älteren Männer dankten den Kriegern dafür, daß sie sie vor einem Leben als Sklaven bewahrt hatten.
Während Arlin Santos Wunde mit einem abgerissenen Streifen seines einstigen Novizengewandes verband, hatte der schnauzbärtige Krieger aus den Augenwinkeln die beiden Orken bemerkt, die Tharion mit seinem Zauber in Angst und Schrecken versetzt hatte, so daß sie davon gelaufen waren. Doch hatten sie nicht das Weite gesucht, sondern versteckten sie sich in gehöriger Entfernung zwischen den Felsen, um die Grünwarter Krieger bei ihrem Tun zu beobachten.
"Sie werden sich ihren Kameraden noch holen." bemerkte der Krieger leise zu dem Novizen, der gerade mit dem Verband fertig geworden war. Arlin folgte dem stummen Hinweis des Kriegers und sah einige Schritt entfernt den letzten Überlebenden der Schwarzpelze zwischen den Steinen liegen, dem er mit dem klobigen Orkhammer den Rücken gebrochen hatte.
Starr blickten die schwarzen Augen des gelähmten Schwarzpelzes in blauen Himmel. Kein einziges Körperteil gehorchte mehr den Befehl seines Willens. Doch wollte er die Glatthäute nicht um die Gnade anwinseln, ihm einen schnellen Tod zu schenken.
Galacher ben Drou hatte währenddessen zum Aufbruch befohlen und der Zug aus Kriegern und ehrbaren Bauern, Arbeitern und Gesinde setzte sich in Bewegung. Als sie erst eine kurze Weile gegangen waren, vernahmen sie einen gellenden Schrei, der aus Richtung der felsigen Senke kam. Santos nickte wissend. "Sie haben ihren Stammesbruder gefunden!" bemerkte er kurz und emotionslos. Der junge Magier blickte dabei entsetzt auf den Boden. Er hatte in Donnerbach die Kunst des Heilens gelernt. Er verstand nicht, warum man sich immer und immer wieder gegenseitig töten mußte....

Kapitel 26 - Heimkehr

Gegen Abend, der Trupp war schon längst wieder von den dichten Wäldern des Aldehjerte verschluckt worden, hatten sie einen Platz zum Nächtigen gefunden. Firunja hatte sich der Frau des Köhlers angenommen, die erst jetzt ihre schockartige Starre verloren hatte und hemmungslos weinte. Andere Krieger und auch einige der kräftigeren Frauen kümmerten sich besorgt vor allem um die erschöpften Kinder.
Auch Tarion versuchte, gerade die Kleinen etwas abzulenken. Seine flinken Finger vollführten kühne Taschenspielertricks und seine zwei Lakritzstangen, die er sich eigentlich für den nächsten Tag aufgehoben hatten, verteilte er großzügig. Auch wenn ihm beim Gedanken an einen Abend ohne Essen mit anständigem Nachtisch ein kleiner Seufzer entwich. Ab und an jedoch, als die Kinder eingeschlafen waren, wich auch das fröhliche Gemüt des Magiers einem Gefühl der Trauer und des Schweigens.
Die Nacht und auch der Weg des folgenden Tages verlief ruhig, obwohl der Zug nur langsam voran kam. Masato Falkenberg hatte eines der kleineren Kindern Huckepack genommen, da es zu erschöpft zum Weiterlaufen gewesen war, während Arlin die humpelnde Firunja stützte. Den Adeptus Löwenzahn wollte allerdings niemand wirklich tragen, und das, obwohl er angesichts des getragenden Kindes bei einzelnen Kameraden immer mal wieder spaßeshalber nachfragte...  Santos hatte sich einen knorrigen Ast abgebrochen, den er als Gehhilfe nutzte.
Es dunkelte bereits, als sie die kleine Lichtung erreichten, in der sie Tage zuvor Aiden Neunfinger bei dem verletzten Gorm zurückgelassen hatten. Doch war von den beiden nichts mehr zu sehen. Verschiedene frische Fußspuren am Rand des klaren Baches zeugten davon, daß sich an dieser Stelle vor kurzem mehrere Leute aufgehalten haben mußten. Hier lagerten sie erneut.
Um die Mittagszeit des übernächsten Tages trafen sie bei Radulfs Sägemühle ein, der ihnen aufgeregt erzählte, daß der Krieger Neunfinger vor zwei Praiosläufen gemeinsam mit Geppert und Hjaldis den schwer verletzten Gorm auf der Ladefläche seines Fuhrwerks auf die Wacht gebracht hätten. Ein beruhigter Ausdruck wich den besorgten Mienen der Krieger, wußten sie nun doch, daß ihr Schmied in Sicherheit war. Bei Erreichen des Dorfes kurze Zeit später, nahmen einige Bewohner Grensachts die erschöpften Frauen, Kinder und Männer traviagefällig in ihre Häuser auf. Sofort ritten drei Männer des Ortes zu den umliegenden Gehöften, um dort die frohe Kunde von der Rettung der Verschleppten deren Angehörigen und Verbliebenen zu melden. Die letzte kurze Rast machten die Ordensleute am Brunnen des Dorfplatzes, während sich der Sohn des Schenkenwirts aufmachte, den kurzen Weg nach Grünwarte zu reiten, um dort die Rückkehr der Krieger zu melden. Es dauerte eine Weile, doch dann war Weibelin Sarjaban in Begleitung Gepperts, mit den Pferden der Krieger am Zügel, am Dorfrand zu erkennen. Bald darauf saßen sie im Sattel und nur wenig später durchritten sie das Tor der Greifenfurter Ordenswacht. Endlich zu Hause!

Kapitel 27 – Das Eslamsbräu oder „Der Durst eines     alten Schmiedes“

Es dauerte einige Tage, bis Firunja wieder schmerzfrei gehen konnte. Ein riesiger blauer Fleck zierte ihre schlanke Hüfte, doch die blutige Wunde war im Laufe der Zeit soweit verheilt, daß sie sich den Schmerz der Prellung verbeißen konnte. Heute konnte sie sogar schon wieder vorsichtig am Kampftfaining teilnehmen.
Das Gespräch bei Galacher ben Drou hatte sie hinter sich gebracht - mit Arlin an ihrer Seite. Allein wollte sie ihm nicht gegenüber treten, egal ob ihr Handeln nun richtig oder falsch war, aber Arlin war ihr Kampfgefährte geworden und mit ihm an ihrer Seite konnte kommen was wolle!!
Santos zog noch immer ein wenig das linke Bein nach, während Arlin schon wieder zwei Tage nach ihrer Heimkehr den Haukerl auf dem Burghof bearbeitet hatte. Gorm lag noch immer ohne Bewußtsein in seiner Bettstatt im Anbau seiner Schmiede. Seine Kopfwunden waren gut versorgt und heilten. Manchmal schlug der alte Schmied sogar für einige kurzen Momente die Augen auf, wobei er Titina, Hjaldis und Tarion zaghaft anlächelte. Meist war der Magier, oder eine der beiden Frauen an seinem Krankenbett, um ihn zu umsorgen. Doch oft schauten auch Firunja, Arlin und auch andere Krieger nach seinem Befinden.
Am späten Nachmittag war der Wirt vom „Axthieb“ mit einem Leiterwagen auf der Wacht erschienen, ein großes hölzernes Faß auf der Ladefläche. Schnell wurde aus einigen Brettern eine Art Tresen in Nähe der Schmiede errichtet. Fackeln wurden herbeigebracht und an den Wänden der Gebäude befestigt, um den Hof in der Dunkelheit besser zu erleuchten.
Während dann das letzte Licht des Tages dem sternfunkelnden Abendhimmel wich,  waren Firunja und Arlin die ersten, denen ein frischgezapfter Krug Eslamsbräu gereicht wurde. Der weitere Verlauf des Abends zeigte, daß die Greifenfurter Ordensleute nicht nur zu kämpfen verstanden....
In einem stillen Augenblick schlich sich Santos in die Schmiede, um zu sehen, wie es um Gorm stand. Nur wenige Augenblicke später erschien er gemeinsam mit Tharion zurück auf dem Hof, und sein strahlendes Gesicht hätte es leicht mit dem Praiosgetirn an einem Sommertag aufnehmen können. Verwundert wandten sich die Krieger einer nach dem anderen dem Magier und dem Almadaner zu, der da nur freudig rief: "Er ist wach und hat Bier gerochen!! GEBT IHM EINEN KRUG!!!!"
Das allgemeine Gejohle wurde nur noch dadurch bekräftigt, daß Tarion sich anscheinend völlig entkräftet auf einen Stuhl plumpsen ließ und eiligst nach Essen und ordentlich Bier verlangte. Nörgelnd beklagte er, daß er schon völlig geschwächt sei und die Anstrengungen der letzten Tage hätten ihn 10 Pfunde dünner werden lassen....

M.Völker, G.Morick, D.Milanovic & A.Kärgelein