Gefangen in Thargunitoths Reich
OZR in der Warunkei (Teil I)

Aus dem Bericht des Taron Krämerkant

 ...Wir begannen also im Morgengrauen mit der Überschreitung der Grenze. Achtzehn Männer und Frauen waren wir, angeführt von seiner Exzellenz Adran von Bredenhag, Meister des Ordens und dessen Stellvertreter Herdan Weisenstein von Dunkelbrunn, dem höchsten Waffenträger des Ordens. Jedermann war entschlossen, nicht ohne die verschollenen Gefährten zurückzukehren.
Kurz vor unserem Aufbruch beschwor die Elfe Laurielle Sternenglanz einen magischen Nebel, der unseren Trupp vor feindlichen Blicken schützen sollte. Zudem trennte sich eine kleine Gruppe von uns, bestehend aus den zwei Rittern Hagen Dorc und Typhoon Zweihand sowie Sylvana aus dem Blautann, um etwaige Wachen auszuschalten. Besonders Sylvana stand in dem Ruf nicht nur eine Meisterin in der Heilkunst, sondern auch in der Beherrschungsmagie zu sein.
Stille umfing uns, als unser kleiner Trupp in die Nebelwand eindrang. Kaum ein Laut war zu hören, nicht einmal Vogelgezwitscher konnte ich vernehmen. Oh ihr Götter, schier ewig schien unser Weg über die Grenze zu dauern. Fast zwei Stunden mögen wir geritten sein oder waren es nur ein paar Minuten? Wer vermochte dies zu sagen, verhinderte der dichte Nebel doch den Blick zur Sonne und als wir dann diesen endlich verließen, erwartete uns ein trüber Himmel aus dem es unentwegt nieselte.
Seine Exzellenz ließ uns, sobald wir den Arvespaß hinter uns gelassen hatten, in einem kleinem Waldstück rasten. Noch hatte wir von unserem Spähtrupp keine Nachricht erhalten. Einmal nur, während der Überquerung des Passes, tauchte Typhoon vor uns aus dem Nebel auf, um uns mitzuteilen, daß man einige Wachen habe ausschalten müssen. Auch die Stimme von Wächter Dorc war einmal kurz zu aus dem Nebel zu vernehmen, als er offenkundig einen Söldner in Sicherheit wiegte.
Während unseres Aufenthaltes in dem kleinen Wäldchen ließ seine Exzellenz Wachen aufstellen, wies jedermann jedoch an zusammen zu bleiben; nicht lang wollte man verweilen, lediglich die Rückkehr der Späher abwarten.
Gut eine Stunde dauerte unsere Rast, dann allerdings meldeten die Wachposten drei Gestalten, die in schnellem Galopp auf unsere Position zupreschten. Die scharfäugige Laurielle bemerkte es als erste: "Sie sind verletzt!"
Tatsächlich, aus Typhoons Schulter ragte ein Pfeil, Hagens rechter Arm schien seltsam verdreht und Sylvanas Beine zierten blutige Striemen.
Viel Zeit für Erklärungen blieb nicht. Während Hagen sich seine rechte Schulter wieder einrenken ließ, wechselten Typhoon, Sylvana und seine Exzellenz von Bredenhag rasch einige Worte. Ich konnte nur einige Brocken von ihrem Gespräch aufschnappen, allein es war offensichtlich; sie waren auf eine größere Anzahl von Wachen gestoßen, als man vermutet hatte. Man habe die Verfolger zwar abschütteln können, sie würden jedoch mit Sicherheit bald hier sein.
Seine Exzellenz zögerte keinen Moment. Sofort gab er das Zeichen zum Aufbruch. Gerion Sturmfels, Hagen Dorc und Belan Taubenstein sollten die Nachhut bilden um etwaige Verfolger aufzuhalten. Die Elfe Laurielle würde unseren Hauptzug anführen und, so hoffte man jedenfalls, uns vor den Häschern des schwarzen Drachen in Sicherheit bringen.
Kaum waren wir wieder aufgesessen, als erneut Nebel aufzog, diesmal jedoch nicht von uns beschworen. Zudem war in der Ferne deutlich Hundegebell zu vernehmen. "Die Bluthunde haben unsere Spur aufgenommen", hörte ich einen jungen Krieger leise neben mir flüstern.
Sylvana ließ ihren Gefährten, einen großen Raben von pechschwarzer Farbe namens Lydia aufsteigen. Das Tier würde einiges über unsere Verfolger und über unsere Nachhut herausbekommen, auch wenn ich, der Sache eher skeptisch gegenüber stand. Was konnte ein Rabe, mochte er auch das heilige Tier des Herrn Boron sein, einem Menschen schon Sinnvolles berichten? Doch es stand mir nicht zu Einwände zu erheben. Überhaupt verhielt ich mich die gesamte Zeit über recht still und beschränkte mich auf das Beobachten, war mir die gesamte Umgebung doch mehr als unheimlich, auch wenn mir die Natur nicht sonderlich anders als vor der Grenze erschien. Die unnatürliche Stille, der Nebel und die grausigen Erzählungen über die schwarzen Lande versetzten mich jedoch in Furcht. Und so hielt ich mich meist, wie mir geheißen, in der Nähe von Herdan Weisenstein auf. Bei allen Göttern, ich ahnte ja nicht, was uns noch bevorstand!
Einige Stunden mochten wir wohl so geritten sein, als der Rabe zurückkehrte. Das Tier flog heran, setzte sich auf die Schulter Sylvanas und neigte seinen Kopf gegen den ihren. Die Wächterin schloß die Augen als lausche sie einer Stimme, die nur sie hörte und hob dann plötzlich zu sprechen an: "Unserer Nachhut geht es gut, sie sind noch nicht von uns abgeschnitten. Lydia konnte unsere Verfolger nicht genau ausmachen, nur Schatten sehen, die uns folgen. Sie sind nicht nur hinter uns, sondern auch an unseren Flanken. Sie könnten uns längst eingekreist haben, wenn sie wollten."
Diese Nachricht war alles andere als beruhigend und als wir eine kleine Lichtung erreichten, befahlen seine Exzellenz und Herdan Weisenstein uns, die Pferde zu stoppen und am Rande jener Lichtung ein Lager aufzuschlagen. Nicht länger wollte man dem Feinde davonlaufen, der offensichtlich ein makaberes Spielchen mit uns spielte.

Bald holte unsere Nachhut uns ein, Wachen wurden aufgestellt und endlich die Verletzten versorgt. Lange schien nichts zu geschehen, die Natur war friedlich und ich nutzte die Zeit um meine Notizen fortzuführen. Erst als nach mehreren Stunden die Dunkelheit ungewöhnlich früh hereinbrach begannen vor allem die jüngeren Krieger unruhig zu werden. Ich hörte viele beten und auch ich gedachte meiner lieben Familie und bat Praios den Götterfürsten gut auf sie acht zu geben.
Dann, urplötzlich, fast schon im Morgengrauen, ertönte über unseren Köpfen ein Schrei. Schrill durchdrang er die Dunkelheit und ließ uns das Blut in den Adern gefrieren. Ich hätte niemals gedacht, daß irgend etwas unter Praios Licht oder Phexens Mantel so schreien könnte. Doch beide Götter schienen hier schrecklich fern zu sein.
Die Stille, die auf den Schrei folgte, erschien endlos. Jedermann war aufgesprungen und hatte die Waffen ergriffen, die erfahreneren Kämpfer lockerten die Muskeln, ich sah wie Weisenstein prüfend seine Klinge durch die Luft fahren ließ und hörte so manches Stoßgebet. Dann richteten sich alle Augen auf die Dunkelheit, die uns umgab.
Einige Sekunden lang schien nichts zu geschehen, als wir plötzlich das Surren einer Bogensehne vernahmen. Im gleichen Augenblick ertönte der Kampfschrei von Sturmfels, der zusammen mit Laurielle eine der Wachen übernommen hatte. Doch noch bevor wir darauf reagieren konnten, brachen plötzlich die Niederhöllen über uns herein. Ein weitere markerschütternder Schrei drang durch die Nacht und ein Etwas fuhr aus dem Himmel herab zwischen uns. Alles was ich sah war ein großer Schatten, der ebenso schnell wieder verschwand wie er aufgetaucht war. Was er hinterließ war ein Bild des Grauens. In der Mitte der Lichtung, vom flackernden Lagerfeuer beschienen, stand ein Krieger des Ordens, den ich erst auf den zweiten Blick als den jungen Salix erkannte. Sein Gesicht bestand zur Hälfte nur noch eine Masse aus Fleisch und Blut, sein Körper war von tiefen Wunden gezeichnet, aus denen das Blut heraussprudelte. Hilflos machte er eine Bewegung mit dem Schwert, dann entglitt es ihm aus der kraftlos gewordenen Hand und fiel zu Boden. Mit der Linken schien er in der klaren Nachtluft nach Halt zu suchen, den er jedoch nicht finden konnte. Schließlich fiel er zu Boden, neben den leblosen Körper eines weiteren Kämpfers, aus dessen tiefen Wunden der Dampf aufstieg. Einige Sekunden herrschte Stille. Keiner von uns vermochte zu begreifen, was gerade geschehen war.
Hagen faßte sich als erster. Mit einem Aufschrei aus Schmerz und Zorn sprang er in die Mitte der Lichtung, den Anderthalbhänder trotzig erhoben, blickte er gen Himmel. In der dunklen Nachtluft über uns war erneut ein beängstigendes Rauschen zu vernehmen, Hagen riß seine Klinge hoch, doch ach, was da neben ihn zu Boden fiel, war der verdrehte Leichnam eines weiteren Kriegers, des jungen Folmin. Gerade zweiundzwanzig Götterläufe mochte er gezählt haben, bis nun sein Leben in diesen dunklen Landen ein jähes Ende finden mußte. Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich mich angesichts dieser furchtbaren Ereignisse, in meiner Angst zu Boden warf und mit geschlossenen Augen alle Gebete aufsagte, die mir einfallen mochten. Ich vermochte also nicht zu sehen oder zu hören was als nächstes geschah. Alles woran ich mich entsinne ist, daß ich plötzlich hoch gerissen wurde, die alles übertönende Stimme seiner Exzellenz Adran von Bredenhag in den Ohren, daß wir aufsitzen sollten. Ich wurde zu den Toten oder Verletzten geschleift, wo ich dabei half, diese auf die Pferde zu binden. Kaum war dies geschehen, saß ich auch schon selbst im Sattel und ritt in den gerade anbrechenden Morgen. Ich warf noch einen Blick zurück auf die Lichtung und sah, die Götter mögen mir beistehen, wie eine Unzahl von lebenden Toten, über eine kleine Gruppe von Kämpfern herfiel, die offensichtlich unsere Flucht deckte. Ich sah, wie Hagen kühn seine Klinge schwang und einen Gegner nach dem anderen fällte und wie Typhoon seine gewaltige Boronsichel mit tödlicher Präzision ins Ziel brachte. Als die Lichtung aus meinem Blicke entschwand, forderten die Aufregung und all das Grauen ihren Tribut und mir schwanden endgültig die Sinne……..

P.Hoffmann / M.Gundlach