Der Hauch des Todes
Zornesritter in der Warunkei (Teil III)
Aus dem Bericht des Taron Krämerkant
...Tritte gegen die Wand meines Zeltes und eine
barsche weibliche Stimme ließen mich aufschrecken. "He da, Schreiberling! Auf mit
Dir, es geht weiter!" Müde und zerschlagen kroch ich aus meiner Unterkunft und sah,
daß sich das ganze Lager im Aufbruch befand. Obwohl ich mich kaum ausgeruht fühlte,
mußte ich dennoch einige Stunden geschlafen haben. Der Himmel war aufgerissen und die mir
seltsam blaß erscheinende Praiosscheibe zeigte an, daß es bereits früher Nachmittag
war. Eilig half ich die Zelte abzubrechen und eine gute halbe Stunde später ritten wir
weiter.
Ich versuchte während unseres Rittes einige Informationen darüber zu bekommen, was zu
unserem überstürzten Aufbruch geführt habe. Die meisten der Krieger schienen jedoch
selbst nichts genaueres zu wissen. Lediglich von einem Streit zwischen seiner Exzellenz
und Typhoon erfuhr ich die mit einer scharfen Zurechtweisung Seitens Seiner Exzellenz
beendet wurde. Als ich Hagen daraufhin auf dieses ansprach, wurde ich recht rüde von dem
Reichsritter zurechtgewiesen. Die Auseinandersetzung habe nichts mit dem so eiligen
Abbruch unseres Lagers zu tun. Vielmehr habe Sylvana eine sehr beunruhigende Vision
empfangen. Offensichtlich hätte irgend jemand unsere Spur aufgenommen.
Mehr vermochte ich nicht in Erfahrung zu bringen, da die anderen Wächter des Ordens sich
mir gegenüber ausschwiegen. Tatsächlich wurde überhaupt wenig gesprochen. Lediglich von
Bredenhag gab von Zeit zu Zeit einige knappe Befehle, die von den anderen schweigend
befolgt wurden. Es war mehr als deutlich, daß Unfrieden zwischen einigen der höheren
Ordensmitglieder herrschte.
So ritten wir gut und gern drei Stunden und ich begann meine schmerzenden Knochen nun
wieder deutlich zu spüren. Sylvana ließ des öfteren ihren schwarzen Raben zu
Erkundungsflügen aufsteigen und auch Magister Belan Taubenstein versuchte mit Hilfe
seiner magischen Kräfte unsere Umgebung zu erkunden. Wie ich von einer jungen Kriegerin
erfuhr, war es den höheren Ordensmitgliedern während unserer Rast gelungen den
wahrscheinlichen Ort des Angriffes unserer verschollenen Gefährten auf den Totenzug
Rhazzazors zu lokalisieren. Wir waren nun unterwegs zu jener Stelle, um dort zu rasten,
die Gefährten zu erwarten und mit ihnen gemeinsam den Überfall durchführen. So war es
zumindest geplant, doch es sollte anders kommen...
Als die Praiosscheibe schon zu sinken begann und wir unser Ziel fast erreicht hatten,
tauchte Gerion, der mit Laurielle und Herdan die Vorhut gebildet hatte, aufgeregt winkend
vor uns auf. Sobald wir ihn erreicht hatten, sahen wir den Grund für seine Bestürzung:
Auf der Wegkreuzung unter dem Hügel ,auf dem wir uns befanden, tobte der Kampf. Ein Zug
von sechs schwarzen, geschlossenen Wagen war durch eine Blockade von Baumstämmen und
Felsbrocken zum Anhalten gezwungen worden. Von beiden Seiten der Straße stürmten
angreifende Reiter heran, die wir sofort als die verschollen geglaubten Gefährten
erkannten. Ihnen entgegen standen Mitglieder der Drachengarde, jener Einheit, die im Krieg
zum Feind übergelaufen war und nun in den Diensten des schwarzen Drachens stand. Einige
dieser Abtrünnigen lagen bereits, von Pfeilen und Bolzen gespickt, leblos im Staub. Ganz
offensichtlich hatte der Angriff früher, als Thalian berichtet hatte stattgefunden.
Seine Exzellenz von Bredenhag gab einige rasche Befehle und schon
stürmte unser Trupp in Keilformation voran. Noch waren die zwei Dutzend Drachengardisten
unseren Verbündeten zahlenmäßig leicht überlegen, doch mit unserem Eintreffen änderte
sich dies erheblich. Wie ein Donnerschlag brach unser Angriff über den Gegner herein um
den Verrätern den heiligen Zorn der Göttin zu bringen. Ich selbst hielt mich allerdings,
wie ich zu meiner Schande gestehen muß, vorerst vom Kampfe fern. Doch, mag der geehrte
Leser nun auch von mir enttäuscht sein, so stellte diese, meine, Feigheit doch sicher,
daß er nun einen vollständigen und detaillierten Bericht über die Schlacht vor sich
liegen hat, bin ich doch ein Mann der Feder und nicht des Schwertes.
Der Kampf war wahrlich gewaltig. Die meisten der Gegner fielen schon beim ersten Ansturm.
Ich konnte beobachten, wie Magister Taubenstein seine geballte Faust auf einen
angreifenden Gardisten richtete, welcher augenblicklich, wie von einem harten Schlag
getroffen, aus dem Sattel gerissen wurde. Ich sah unseren Bannerträger Rowan vom Born
blitzartig mit seinem Rapier einen Gegner um den anderen niederstrecken, Gerion ,wie er
unter dem Hieb eines Angreifers wegtauchte und diesem dann mit einem kraftvollen Schlag
den Schädel spaltete und natürlich von Dunkelbrunn und seine Exzellenz, die beide ihre
Klingen mit unglaublicher Präzision zu führen wußten und denen sich kaum ein
ebenbürtiger Gegner entgegenzustellen vermochte. Doch auch die jüngeren Krieger und auch
Thalian fochten brav und hielten sich recht wacker und unsere Verbündeten standen ihnen
in nichts nach. Besonders die Anführerin unserer vermißten Gefährten, eine große
breitschultrige Kriegerin, fegte mit gewaltigen Hieben ihres Streitkolbens die Feinde
beiseite und der Magier neben ihr schickte einen Flammenstoß nach dem anderen in die
Reihen der Gegner.
Es sah wirklich alles nach einem Sieg der unsrigen aus, die wenigen verbliebenen
Drachengardisten hielten sich nur noch mit großer Mühe und schon begann ich die Götter
für ihren Beistand zu preisen, als die Schlacht plötzlich eine unerwartete Wendung nahm.
Ich, der ich mich abseits des Kampfes hielt, sah sie als erster. Drei Dutzend Reiter in
schwarzer Kluft, die direkt aus der untergehenden Praiosscheibe hervorzureiten schienen.
"Die Golgariten", schoß mir durch den Kopf und erneut wollte ich einen
Lobgesang auf die Zwölfe anstimmen, als mir plötzlich in den Sinn kam wo wir uns hier
befanden. In den schwarzen Landen war ein solcher Zug der Diener Borons ja eher selten
anzutreffen. Und als die Reiter näher kamen, sah ich, daß diese wohl viel eher einer
dunkleren Macht dienten. Schlimme Wunden zeichneten die Leiber, leere Augen blickten aus
zum Teil bereits völlig vermoderten Totenschädeln......
Diese Golgariten waren untot!!!!
Angesichts dieser neuen Gefahr änderte von Bredenhag sofort die Taktik. In Windeseile wurden Fackeln entzündet und einige der Unsrigen schickten sich an, die schwarzen Wagen mitsamt ihres unheiligen Inhaltes zu entzünden. Die restlichen Mitglieder unserer beiden Trupps begannen einen strategischen Rückzug zurück auf die gegenüberliegenden Hügel. Dort wollte man sich dem Angriff der feindlichen Reiter stellen. Jedoch, es kam anders. Die falschen Golgariten zügelten plötzlich ihre nachtschwarzen Pferde und stoppten in einigen hundert Metern Entfernung. Der Anführer dieser verfluchten Schar schien einige Worte mit der Person neben sich zu wechseln, fast hatte es den Anschein als liebkose er sie, doch auf diese Entfernung mochte ich mich auch getäuscht haben. Urplötzlich fegte ein Windhauch von den Untoten kommend mitten zwischen unsere tapferen Streiter und richtete dort ein unbeschreibliches Chaos an. Ich selbst vermag nicht zu erklären was dort vor sich ging, allein um irgendeine Form von unheiliger Magie schien es sich gehandelt zu haben. Zumindest sah ich wie beinahe ein jeder unserer Kämpfer von dämonischen Schmerzen schier überwältigt zu werden schien. Wunden, die längst verheilt waren platzten wieder auf, Pferde scheuten und warfen ihre Reiter ab und der gesamte Rückzug geriet ins Stocken. Doch nicht nur unsere Mannen traf es, auch die verbliebene Handvoll Drachengardisten wurde von diesem dämonischen Wirken schier überwältigt. Nun konnte auch ich nicht mehr länger an mich halten. Ich empfand es als meine Pflicht meinen Kameraden zu helfen und kurzerhand nahm ich all meinen Mut zusammen, bat Praios um Beistand, gab meinem Pferd die Sporen und ritt mitten in das Chaos hinein. Ich ergriff die Zügel eines herumirrenden Pferdes, dessen rechte Flanke aufgerissen war und aus dessen Wunde Eiter und dicke, weißliche Maden austraten und zerrte die nächstbesten zwei Gefährten hinauf. Es waren Typhoon und Belan, beide mit schmerzverzerrtem Gesicht und auch aus ihren Wunden krochen dickliche Maden. Ich riß mein Pferd herum und suchte, wie jedermann sonst, mein Heil in der Flucht. Zwar nicht alle der schwarzen Wagen brannten, auch hatten sich die "Golgariten" noch immer nicht gerührt, doch schien dieser dämonische Angriff unsere Leute gleichermaßen geschwächt als auch demoralisiert zu haben.
Wir hatten die Hügel erreicht und noch immer hatten unsere Gegner nicht reagiert. Langsam formierte sich unsere Nachhut, die den Rückzug sicherstellen sollte. Sylvana konzentrierte sich und schien alle ihr noch verbliebene Kraft in einen gewaltigen Zauberspruch zu legen. Einige magische Gesten, ein Wort der Macht und ein Blitzstrahl schoß hoch in den dämmernden Himmel hinaus. Nur Augenblicke später bildeten sich über den Köpfen der untoten Reiter tiefschwarze Wolken, ein dumpfes Donnern war zu vernehmen und direkt über unseren Feinden brach ein Unwetter mit geradezu mörderischer Zerstörungswut herein. Fasziniert stoppte ich mein Roß und sah mir dieses Schauspiel satuarischen Ursprungs an. Hagelkörner so groß wie Kinderhände prasselten auf unsere Gegner hernieder. Wenn diese Naturgewalt sie nicht aufzuhalten vermochte, was vermochte es dann? Doch ach, wie sollte ich mich wieder einmal getäuscht haben, wie so oft hatte ich zu früh jubiliert. Aus dem Unwetter heraus kam eine Gestalt geritten. In eine dunkle Rüstung gewandt, einen Rabenschnabel in der Rechten, hielt sie auf uns zu. Jetzt erst erkannte ich ihn und diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Er war es, der gefallenen Golgarit, er dem man es am wenigsten zugetraut hätte unter dem schwarzen Drachen zu dienen: Lucardus von Kemet, der ehemalige Großmeister der Ritter Borons. Er war es, den Sylvana in ihrer Vision gesehen hatte, er war derjenige, der unsere Spur aufgenommen hatte. Und die Person neben ihm, die vor kurzem den so verheerenden dämonischen Hauch beschworen hatte, war jene Untote, die Lucardus liebevoll seine "Göttin" nannte!
Nun geschah alles sehr schnell. Mit den letzten Strahlen der
Sonne setzten sich die unheiligen Reiter in Bewegung. Sylvana, bis auf das Äußerste
erschöpft, brach zusammen. Thalian Jergus zog sie auf sein Pferd. Hagen und Typhoon
preschten mit gezogenen Klingen los, die falschen Golgariten aufzuhalten. Bei allen
Göttern: Zwei gegen drei Dutzend!
Lucardus von Kemet war rasch heran, Rowan der Bannerträger und Galacher ben Drou, ein
kräftiger Krieger von den Zyklopeninseln, die beide ebenfalls zu den Ordensältesten
gehörten, stellten sich ihm entgegen. Stahl blitzte auf, Blut spritzte, Knochen
splitterten. Dann sah ich, wie Rowan und Galacher beide leblos auf den Rücken ihrer
Pferde lagen. Lucardus von Kemet, von zwei tiefen Hieben gezeichnet, hob seine blutige
Waffe triumphierend gen Himmel und ich sah wie sich die Wunden an seinem Körper wieder
schlossen. Dann riß der Verdammte sein Pferd herum um sich Typhoon und Hagen zuzuwenden.
Jene hatten sich wacker gegen die Untoten gehalten, mehrere leblose Leichname lagen im
Staub, allein den Ansturm aufzuhalten, vermochten sie nicht. Die dämonischen Reiter
hielten weiter auf unsere fliehenden Truppen zu, die allerdings fast alle den Waldrand
schon erreicht hatten, während der gefallenen Großmeister der Golgariten sich anschickte
unsere nächsten zwei Gefährten niederzustrecken. Ritter Dorc und Ritter Zweihand. Stahl
traf klirrend auf Stahl und ein Aufschrei entrang sich meinen Lippen, als ich sah, wie
Typhoon Lucardus Rabenschnabel mit seinem Anderthalbhänder entzweischlug, wie auch seine
Klinge zerbarst und dann Hagens gewaltiger Schlag dem nun wehrlosen dämonischen Reiter
tief in die Seite fuhr. Lucardus von Kemet wurde von Hagens Hieb vom Pferd geschleudert
und blieb reglos am Boden liegen. Im selben Moment setzten unsere verbliebenen Magier alle
noch verfügbaren Kräfte frei, um den Angriff der falschen Golgariten zu zerschlagen.
Belan schleuderte einen magischen Wind in die Reihen der Gegner, der die Reiter von ihren
Pferden riß und der Magier unserer Verbündeten, Phelix Angbarer war sein Name, wie ich
später unter traurigen Umständen erfuhr, hielt die Untoten mit astraler Kraft am Boden.
Unsere Flucht war beinahe gelungen, als die letzten Strahlen der Praiosscheibe
verschwanden und die Dunkelheit hereinbrach. Kaum war das Licht des Götterfürsten
gewichen, als die Wagen, die nicht in Flammen standen, plötzlich von innen her
aufgebrochen wurden. Gestalten in schwarzen Umhängen kamen herausgesprungen und stürzten
sich von Blutdurst getrieben auf die wenigen Drachengardisten, die noch am Leben waren und
erfolglos versucht hatten, die brennenden Wagen zu löschen. Vampire! Jene Gestalten der
Dunkelheit, die das Blut ihrer Opfer tranken, die über eine übermenschliche Kraft
verfügten und denen mit blankem Stahl so gut wie nichts anzuhaben war! Als wäre der
Anblick dieser mordenden Bestien die das unheilige Zeichen der Herrin der Untoten auf
ihrer Stirn trugen und die Schreie dieser Opfer nicht schon Schrecken genug gewesen,
ertönte nun auch noch die kalte und durchdringende Stimme, jener Untoten, die Lucardus
von Kemet als seine "Göttin" bezeichnete und die sich den ganzen Kampf über
nicht von der stelle bewegt hatte: "Tötet sie! Tötet sie alle! Stillt euren Durst,
doch vergeßt nicht wem ihr jetzt dient. Jagt sie, findet sie und ihr Blut soll euch
ebenfalls gehören!" Das mit letzterem wir gemeint waren war uns nur allzu bewußt
und ich weiß nicht ob uns die Flucht gelungen wäre, wenn Laurielle nicht eine Zone von
pechschwarzer Dunkelheit hinter uns beschworen hätte. Das letzte allerdings was ich im
Schein der brennenden Wagen sah bevor die Wälder und die Nacht uns verschluckten, war wie
sich Lucardus von Kemet erneut erhob, sich auf sein Pferd schwang und an die Seite der
vermoderten Leiche ritt, die er allein für lieblich hielt.
Der Rest unserer Reise glich mehr einer Flucht vor den Schergen des schwarzen Drachens,
waren wir doch nun weniger eine Gruppe Krieger, als viel eher ein reisendes Lazarett.
Viele der jüngeren Krieger waren schwer verletzt und konnten kaum aus eigener Kraft
weiterreiten. Galacher und Rowan waren von Thyria Ehrwald, der Anführerin unserer
verschollen geglaubten und schlußendlich doch gefundenen Gefährten, gerettet worden.
Rowans Verletzungen waren jedoch so schwer, daß eine Heilung nicht mehr möglich
erschien. Genau wie Phelix Angbarer, der an einem Wundfieber erkrankte, wurde Rowan vom
Born von Golgaris Schwingen fortgetragen. Mögen sie beide und all die Gefährten, die in
diesen Landen ihr Leben ließen, in die göttlichen Paradiese zu Alveran einziehen.
Als wir nun kurz vor Mitternacht des 20 Ingerimms schon fast die Grenze zu Darpatien
passiert hatten, ereilte uns erneut das geflügelte Grauen, welches bereits am Anfang
unserer Mission für den Tod dreier Gefährten gesorgt hatte. Mit den Kräften nun schon
fast am Ende, versuchten von Bredenhag, Sturmfels, Zweihand, Dorc und Ehrwald die
geflügelte Echse und ihren Reiter so lange aufzuhalten, bis zumindest die Gefährten die
freien Lande erreicht hatten. Mit dem Heiligen Zorn der Göttin Rondra stellten sie sich
also dieser Kreatur der Niederhöllen, doch waren die letzten Tage und Wochen doch gar zu
kraftraubend gewesen und nur durch das persönliche Eingreifen eines der Götterboten
persönlich, Praios sei Dank, kam es, daß der Dämon vernichtet und die Gefährten
gerettet wurden.
Am Morgen des 21.Ingerimm im Jahre SAM Hal erreichte unser Zug wieder die darpatischen und garethischen Befestigungen am Arvespaß, genau an jener Stelle, an dem vor einem Götterlauf 12 Gefährten einen heiligen Eid leisteten. Gedankt sei den Göttern Praios und Rondra und ihren zehn göttlichen Geschwistern für ihren Beistand und unsere glückliche Heimkehr.
Taron Krämerkant, Schreiberling des Ordens des Heiligen Zorn der Göttin Rondra
P.Hoffmann / M.Gundlach